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Meditatio mortis

25.05.2016

In die Dämmerung gesprochen

Wird alles zerreißen wie eine Bahn
sich bauschender Seide,
und ihr Knistern und Prasseln
vernimmst du noch eben,
nicht aber mehr den rauschenden Riß?

Oder fällt der eiserne Vorhang
wie ein Schafott durch die Handlung,
und das Knacken und Knirschen
der besessenen Knochen
und eines letzten Zweigs unerblühten Gefühls
bleibt dir zu hören erspart?

Vielleicht gleiten wir dann auf Jenseits-Teichen
wie das abgefallene Blatt einer Maske
und kreisen und trudeln ein wenig
nach dem weichen Katarakt des Übergangs
in die stillere Zone, wo uns Kühle bespült,
die aus der fernen Frische des Ursprungs quillt.

Vielleicht gleiten wir dann wie das Rosenblatt
bis in die Mitte der Nacht, wo wir verhalten schweben,
und unter dem fahlen Blick eines Jenseits-Monds
zittern noch einmal die Wimpern an blumigem Lid.

Doch abgelöst wie die Maske vom warmen Fleisch
denken wir nicht aus dem Blut und der Lymphe der Angst,
wir ziehen entrückt mit Wolken auf farbigem Glas,
sprechen dem Winde nach, der die Birke nicht meint,
aber rührt. Und ihr silberner Tanz ist die Freude des Lichts.

Und die nicht sich lösen und fallen wie Frucht,
gereift für anderen Anfang, der Odem Gottes
reißt sie mit sich, Seelen, die am Gesicht des Schreies
kleben, und der inständige Ruf des Engels
läßt sie zerknittern und wie harte Borke zurück.

Oder wir gehen noch eine Weile den Pfad
abschüssigen Traums, und die Zweige wiegen
statt Blüten kristallene Augen, die blauen Messer
ihrer Blicke schneiden durch unser Nebelgesicht,
und wir bluten nicht.

Und jene, sieh, die dir den Krumen der Liebe brach,
ihre Stirn trug die prophetische Narbe,
und ihr Schoß weinte um dich,
den schlangenhaft züngelnden Sohn,
sie furcht, eine erkaltete Erinnye,
durch dich wie durch abgeschöpften Rahm.

Jene aber mit den Augen des Kinds,
geweitet vom Licht der Lagune,
die dir mit weichen Tränen
das schmerzende Rätsel gekühlt,
suchst du vergebens mit dem Schattenmund
zu rufen mit Namen und einem kosenden Wort.

Vielleicht kehrt uns wie dürrer Spelt
ein emsiger Engel mit harten Reisern
auf der hohen Tenne zusammen
und entzündet im kalten Hof,
wo die Büßer lange harren,
ihnen ein wärmendes Feuer,
unser letzter, unser einziger Dienst.

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