Rabindranath Tagore, The Crescent Moon, Der Sichelmond X–XII
X Defamation
Why are those tears in your eyes, my child?
How horrid of them to be always scolding you for nothing!
You have stained your fingers and face with ink while writing – is that why they call you dirty?
O, fie! Would they dare to call the full moon dirty because it has smudged its face with ink?
For every little trifle they blame you, my child. They are ready to find fault for nothing.
You tore your clothes while playing – is that why they call you untidy?
O, fie! What would they call an autumn morning that smiles through its ragged clouds?
Take no heed of what they say to you, my child.
They make a long list of your misdeeds.
Everybody knows how you love sweet things – is that why they call you greedy?
O, fie! What then would they call us who love you?
X Kränkung
Woher die Tränen in deinen Augen, mein Kind?
Wie abscheulich von ihnen, dich ständig wegen Nichtigkeiten zu beschimpfen!
Du hast dir Finger und Gesicht mit Tinte befleckt – nennen sie dich deswegen schmutzig?
O pfui! Gehen sie so weit, den Vollmond schmutzig zu nennen, weil er sein Gesicht mit Tinte bekleckert hat?
Wegen jeder Lappalie tadeln sie dich, mein Kind. Im Trüben wollen sie nach Fehlern fischen.
Du hast dir beim Spielen die Kleider zerrissen – nennen sie dich deswegen unordentlich?
O pfui! Wie würden sie einen Herbstmorgen nennen, der durch Wolkenfetzen lächelt?
Achte nicht auf ihre Reden, mein Kind.
Sie machen eine lange List deiner Vergehen.
Ein jeder weiß, wie sehr du Süßigkeiten magst – nennen sie dich deswegen gierig?
O pfui! Wie würden sie uns dann nennen, die wir dich lieben?
XI The Judge
Say of him what you please, but I know my child’s failings.
I do not love him because he is good, but because he is my little child.
How should you know how dear he can be when you try to weigh his merits against his faults?
When I must punish him he becomes all the more a part of my being.
When I cause his tears to come my heart weeps with him.
I alone have a right to blame and punish, for he only may chastise who loves.
XI Der Richter
Sag von ihm, was dir beliebt, doch ich kenne die Gefühle meines Kindes.
Ich liebe ihn nicht, weil er gut ist, sondern weil er mein kleiner Junge ist.
Wie solltest du auch wissen, wie lieb er sein kann, wenn du bemüht bist, seine Verdienste gegen seine Fehler abzuwägen?
Wenn ich ihn bestrafe, wird er umso mehr ein Teil meines Lebens.
Wenn ich ihn weinen mache, weint mein Herz mit ihm.
Nur ich habe ein Recht, ihn zu tadeln und zu bestrafen, denn nur der darf züchtigen, der liebt.
XII Playthings
Child, how happy you are sitting in the dust, playing with a broken twig all the morning.
I smile at your play with that little bit of a broken twig.
I am busy with my accounts, adding up figures by the hour.
Perhaps you glance at me and think, ‘What a stupid game to spoil your morning with!’
Child, I have forgotten the art of being absorbed in sticks and mud pies.
I seek out costly playthings, and gather lumps of gold and silver.
With whatever you find you create your glad games, I spend both my time and my strength over things I never can obtain.
In my frail canoe I struggle to cross the sea of desire, and forget that I too am playing a game.
XII Spielsachen
Kind, wie glücklich du bist, im Staub zu sitzen und jeden Morgen mit einem abgebrochenen kleinen Zweig zu spielen.
Ich lächle über dein Spiel mit diesem Stückchen eines abgebrochenen kleinen Zweigs.
Vielleicht wirfst du mir einen Blick zu und denkst: „Was für ein dummes Spiel, dir damit den Morgen zu verderben!“
Kind, ich habe ganz vergessen, wie es ist, ganz in das Spiel mit Stöckchen und Förmchen versunken zu sein.
Ich suche mir teure Spielsachen aus und häufe Klumpen aus Gold und Silber.
Du machst dir fröhliche Spiele aus allem, was du grad findest, ich vergeude Zeit und Kraft für Dinge, die ich nie bekommen kann.
Ich mühe mich ab, in meinem schwachen Kanu das Meer der Begierde zu überqueren, und vergesse dabei, daß auch ich nur ein Spiel spiele.
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