Rabindranath Tagore, The Crescent Moon, Der Sichelmond XXII–XIV
XXII The Flower-School
When storm clouds rumble in the sky and June showers come down,
The moist east wind comes marching over the heath to blow its bagpipes among the bamboos.
Then crowds of flowers come out of a sudden, from nobody knows where, and dance upon the grass in wild glee.
Mother, I really think the flowers go to school underground.
They do their lessons with doors shut, and if they want to come out to play before it is time, their master makes them stand in a corner.
When the rains come they have their holidays.
Branches clash together in the forest, and the leaves rustle in the wild wind, the thunder-clouds clap their giant hands and the flower children rush out in dresses of pink and yellow and white.
Do you know, mother, their home is in the sky, where the stars are.
Haven’t you seen how eager they are to get there? Don’t you know why they are in such a hurry?
Of course, I can guess to whom they raise their arms: they have their mother as I have my own.
XXII Die Schule der Blumen
Wenn Sturmwolken am Himmel grummeln und Juni-Schauer niedergehen,
zieht der feuchte Ostwind über die Heide und bläst seinen Dudelsack zwischen den Bambusrohren.
Dann springen Scharen von Blumen wie aus dem Nichts hervor, keiner weiß woher und tanzen auf dem Gras in wilder Fröhlichkeit.
Ich glaube fest, Mutter, die Blumen gehen unterirdisch zur Schule.
Sie haben ihre Stunden bei geschlossenen Türen und wenn sie nach draußen wollen, um vor Schulschluß zu spielen, stellt der Lehrer sie in die Ecke.
Wenn es regnet, haben sie Ferien.
Zweige schlagen aneinander im Wald, und die Blätter rauschen im wilden Wind, die Donner-Wolken klatschen in ihre Riesenhände, und die Blumenkinder stürmen nach draußen in rosa und gelben und weißen Kleidern.
Weißt du, Mutter, ihre Heimat ist im Himmel, unter den Sternen.
Hast du nicht gesehen, wie begierig sie sind, dorthin zu gelangen? Weißt du nicht, weshalb sie so in Eile sind?
Gewiß, ich ahne es, zu wem sie ihr Arme erheben: Sie haben ihre Mutter, wie auch ich eine habe.
XXIII The Merchant
Imagine, Mother, that you are to stay at home and I am to travel into strange lands.
Imagine that my boat is ready at the landing fully laden.
Now think well, mother, before you say what I shall bring for you when I come back.
Mother, do you want heaps and heaps of gold?
There, by the banks of golden streams, fields are full of golden harvest.
And in the shade of the forest path the golden champa flowers drop on the ground.
I will gather them all for you in many hundred baskets.
Mother, do you want pearls big as the raindrops of autumn?
I shall cross to the pearl island shore.
There in the early morning light pearls tremble on the meadow flowers, pearls drop on the grass, and pearls are scattered on the sand in spray by the wild sea-waves.
My brother shall have a pair of horses with wings to fly among the clouds.
For father I shall bring a magic pen that, without his knowing, will write of itself.
For you, mother, I must have the casket and jewel that cost seven kings their kingdoms.
XXIII Der Kaufmann
Stell dir vor, Mutter, du müßtest zu Hause bleiben und ich in fremde Länder reisen.
Stell dir vor, mein Schiff legt mit voller Ladung am Kai an.
Überlege dir jetzt genau, Mutter, was ich dir von der Reise mitbringen soll.
Willst du, Mutter, lauter Berge von Gold?
Dort gibt es bei den Ufern des goldenen Flusses Felder voll goldener Frucht.
Und im Schatten des Waldpfades fallen die goldenen Champa-Blüten nieder zur Erde.
Ich will sie alle für dich in hunderten Körben aufsammeln.
Willst, Mutter, du Perlen, groß wie Regentropfen im Herbst?
Ich werde zur Perleninsel hinüberfahren.
Im frühen Morgenlicht zittern Perlen an den Wiesenblumen, Perlen fallen ins Gras und Perlen sind im Sand verstreut in der Gischt der wilden Meereswogen.
Mein Bruder soll ein Paar geflügelter Pferde erhalten, um zwischen den Wolken zu fliegen.
Meinem Vater bringe ich einen Zauberstift, der ohne sein Wissen von selber schreibt.
Für dich, Mutter, muß ich die Schatulle und den Juwel haben, die sieben Königen ihre Königreiche kosten.
XXIV Sympathy
If I were only a little puppy, not your baby, mother dear, would you say
‘No’ to me if I tried to eat from your dish?
Would you drive me off, saying to me, ‘Get away, you naughty little puppy?’
Then go, mother, go! I will never come to you when you call me, and never let you feed me any more.
If I were only a little green parrot, and not your baby, mother dear, would you keep me chained lest I should fly away?
Would you shake your finger at me and say, ‘What an ungrateful wretch of a bird! It is gnawing at its chain day and night?’
Then, go, mother, go! I will run away into the woods; I will never let you take me in your arms again.
XXIV Mitgefühl
Wäre ich nur ein kleines Hündchen und nicht dein kleines Kind, liebe Mutter, würdest du mir es verwehren, wenn ich von deinem Teller essen wollte?
Würdest du mich wegscheuchen und zu mir sagen: „Fort mit dir, du böser kleiner Hund.“
Dann geh, Mutter, geh! Ich werde niemals zu dir kommen, wenn du nach mir rufst, und kein Essen mehr von dir annehmen.
Wäre ich nur ein kleiner grüner Papagei und nicht dein kleines Kind, liebe Mutter, würdest du mich an der Kette halten, damit ich nicht wegfliege?
Würdest du mir mit dem Finger drohen und sagen: „Was für ein undankbarer Bösewicht von Vogel! Er pickt Tag und Nacht an seiner Kette.“
Dann geh, Mutter, geh! Ich werde in die Wälder flüchten; ich werde nie wieder mich von dir in die Arme nehmen lassen.
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