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Das Maß des Lebens

25.01.2021

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Damit sie auf andere keinen Schatten mehr werfen, werden überragende Figuren um einen Kopf kürzer gemacht.

Der Schwarze zeigt seinen Rassestolz, wenn er die Überlegenheit der Weißen in Abrede stellt; der Weiße, der dasselbe tut, seine Stupidität oder das schlechte Gewissen des Epigonen.

Wären Weisheit, Anstand und Noblesse Bedingung des Glücks, wie elend wäre die Welt; aber sie ist es ja, sie ist es ja!

Zwischen den Graden der Dummheit gibt es unendlich viele Schattierungen.

Dummheit vor dem Leben ist wie die närrische Jagd des Schürzenjägers, dem nur ein abgerissener Fetzen in Händen bleibt.

Verbrechen und Genialität (oder wenigstens ihre Förderung) gehen bisweilen, wie das Beispiel nicht nur der Medici zeigt, Hand in Hand.

Die Bedingung der Möglichkeit, sich die Welt zu unterwerfen, ist die Überlegenheit der mathematischen und technischen Intelligenz der weißen und der jüdischen Rasse. Ihre Entdeckungen und Erfindungen, von Galileo bis Newton und Einstein, vom Fernrohr bis zur Satellitentechnik, haben die Eroberung der Welt und des Weltalls erst möglich gemacht; allerdings gehört auch ein gerüttelt Maß an Heroismus, Abenteuergeist und Grausamkeit dazu, in hohe See zu stechen, durch den Dschungel des Amazonas vorzudringen oder die Indios mit Feuer und Schwert zum Ruhm der spanischen Krone zu unterwerfen.

Der freie Atem einer freien Forschung sine ira et studio ist auf diesem wie auf vielen anderen Gebieten längst am Würgegriff einer kleingeistigen Moral erstickt.

Die kolonialen Wohltaten des Westens, Medizin, Ernährung der Massen durch industrielle Landwirtschaft, Erschließung der Länder mit Straßen und Eisenbahnen, Kampf gegen den Analphabetismus, all dies bringt die Waage des Schicksals in ein schwankendes Gleichgewicht, insofern im gegenüberliegenden Gefäß sich die zerstörten indigenen Kulturen und Kulte, der Niedergang der heimischen Tierwelt und die Verrohung des Lebens in den Megastädten wie ein schwerer unförmiger Klumpen zusammenballen.

Wenn die Riesenmassen täglich ein Ei verzehren wollen, kann es kein Paradies für Hühner und Küken geben.

Der Eigentümer des Hauses pinkelt nicht an seine Tür.

Wäre das Land Eigentum eines platonischen Monarchen, wie blühten rings die Gärten, wie ertönten in ihnen Mozartsche Serenaden, wie schritten die Edlen sacht auf dem bunt bestickten Teppich des Lebens.

Wenn die Straßen und Ufer, die Parks und Anlagen allen gehören, stinken und lärmen darin Unrat und Vulgarität.

Die natürlichen Neigungen des Herzens gelten dekadenten Zynikern als Ausweis von Dummheit und Naivität. – Nun ist aber der Zyniker ein von der begehrten Dame namens Leben zurückgewiesener Liebhaber.

Die Rohen und die Häßlichen, die Marketenderinnen der schnöden Lust, die verbitterten Männer des Ressentiments und die abgeblühten Mauerblümchen werden immer feixen und grinsen, wenn der sanft gelockte Knabe die Lyra anstimmt zum Preis des schönen Lebens.

Die Entwurzelten, die glauben, man könne überall zu Hause sein, schwadronieren globalesisch und verschmähen die Muttersprache wie der hochnäsige Karrierist aus Oberboihingen, der es zum Schulrat in Stuttgart gebracht hat, jeden Anflug des schwäbischen Dialekts als peinliche Erinnerung an seine Herkunft desavouiert.

Für Erkenntnisskeptiker: Die Fische, die wir mit unserem Begriffsnetz einfangen, kleinere oder größere, je nach seiner Grob- oder Feinmaschigkeit, sind keine Fiktionen, keine Gebilde unserer Phantasie.

Kriminelle Neigungen sind angeborene charakterliche Dispositionen; die Umwelt kann sie dämpfen, aber nicht durch Umerziehungs- oder Resozialisierungsmaßnahmen ausmerzen, freilich auch fördern und durch heuchlerische Beschönigungen allererst herauskitzeln.

Moralische Neigungen sind angeborene charakterliche Dispositionen. Das zweijährige Kind will nach der Schaufel im Sandkasten greifen, die dem Nachbarsbuben gehört: Es zögert, besinnt sich eines Besseren und bittet die Mutter, ihm seine eigene Schaufel zu geben.

Die grundlegenden Begriffe oder Konzepte unseres Selbstverständnisses und unseres moralischen Empfindens sind uns vorsprachlich gegeben; das Kleinkind weiß um seine Existenz als des epistemischen Zentrums der primordialen deiktischen Trias von ich, jetzt, hier, ohne noch „Ich“ sagen zu können; es weiß um die ethische Bedeutung von Mein und Dein, ohne vom Eigentumsrecht und Besitzanspruch der eigenen und anderer Personen gehört zu haben oder davon sprechen zu können.

Wir müssen die natürlichen ethischen Neigungen unseres Daseins nicht nachträglich durch eine höhere Moral à la Kant, Apel und Habermas reflexiv einholen und absichern; es genügt, sie im sittlichen Umgang zu fördern und zu pflegen und im täglichen Umgang Gestalt werden zu lassen.

Freilich, die natürlichen kriminellen Neigungen können wir durch keine höhere Moral ausmerzen; falls es nicht genügt, sie im sittlichen Umgang durch Tadel und Strafe zu dämpfen, müssen wir denjenigen, den sie obsedieren, von ihrer Verwirklichung mittels rigiderer Maßnahmen fernhalten.

Für uns, aber auch für Pflanzen und Tiere, ist die phänomenale Welt der Farben, Formen, Klänge und Gerüche in demselben Maße wirklich, wie ihre Existenz von der Physik eingeklammert wird.

Der blinde Kosmologe allerdings kann die ferne Galaxie nicht vermessen.

Freilich könnte er von der Strahlung im physikalischen Sinne reden, ohne auf den Begriff des Sehens und des Sichtbaren zurückzugreifen.

Der Augenarzt könnte den objektiven Befund eines grünen Stars ohne Rückgriff auf phänomenale Begriffe des Sehens und der Sichtbarkeit erstellen; doch könnte er die Diagnose einer Gefahr der Erblindung nicht stellen, ohne eben dies zu tun.

Es gibt kein Gestern, Heute und Morgen im Weltbild der Physik; die Zeit des menschlichen Daseins ist kein integraler Bestandteil der physikalischen Abläufe.

Der Roboter, der die Daten der Explosion einer Super-Nova chronometrisch exakt gespeichert hat, verfügt über keine Erinnerung an dieses Ereignis.

Nähe und Distanz des Umgangs, in denen die wesentlichen Harmonien und Spannungen unseres gemeinschaftlichen Lebens, Vertrauen und Mißtrauen, Freundschaft und Feindschaft, Liebe und Verrat, sich bilden und entfalten, haben kein Pendant und kein Maß in der physikalischen Welt.

Der Alpenpaß erscheint uns von der Talstation aus ungeheuer hoch; nicht so dem Adler, der über ihm kreist.

Wir können den Adler nicht verstehen, uns seine Welt nicht begreiflich machen, in der unsere elementare Deixis des ich, jetzt, hier nicht existiert.

Mögen diese und jene Völker, die alten Griechen oder die Inuit, das Band der sichtbaren Farben so oder anders einteilen; entscheidend ist, daß ihre Welt unsere Welt des Lichts, der Farben und der Schatten ist.

Wenn der Hund darauf abgerichtet worden ist, die Zeitung aus dem Kasten zu holen, tut er es nicht, weil er es seinem Herrchen versprochen hat.

Der Verhaltensdruck, der den Hund die Zeitung apportieren läßt, sobald sie ihm hörbar in den Schlitz fällt, ist nicht mit demjenigen zu vergleichen, der uns zum Hörer greifen läßt, weil wir der bejahrten Mutter versprochen haben, uns einmal die Woche bei ihr zu melden; jener ist konditioniert und das Ergebnis der Dressur, dieser eine Form der sozialen Verpflichtung.

Wenn wir uns an das, wozu wir uns verpflichtet haben, nicht erinnern, führen wir es nicht aus; der Hund, der das Klappern des Briefkastens hört und daraufhin die Zeitung apportiert, erinnert sich an nichts.

Dem Argument, das Bewußtsein und das Zeitbewußtsein seien fiktiv wie die phänomenale Welt, der sie entspringen, könnte man entgegenhalten, das Alter des Universums sei ein fiktives Datum, weil es von eben diesem Bewußtsein auf Basis der Extrapolation von seinem singulären deiktischen Zeithorizont aus gemessen worden ist.

Wir können das Leben nur aus einer prämortalen, nicht aus einer postmortalen Perspektive aus betrachten und begreifen.

Wir reden falsch und unsinnig von den Toten, wenn wir eine postmortale Perspektive anlegen.

Angesichts des Todes zu leben heißt nicht, seine Tage im vagen Gefühl zu verbringen, irgendwann einmal sterben zu müssen.

Wenn wir des Todes unserer Lieben nicht gedächten, wäre das eigene Leben hohl und schal.

Wenn wir das eigene Leben, das, was wir sind, zu sagen und zu tun haben, an heterogenen Mustern und Maßen messen, wie der Statistik, der Theorie der biologischen Evolution oder der historischen Entwicklung, verfehlen wir es; wir gleichen dann einem Betrachter des Gemäldes Pierrot von Antoine Watteau, der um die chemische Zusammensetzung seiner Farbpigmente weiß, aber dem melancholisch verhangenen Blick der Figur aus der Commedia dellʼarte nicht standhält.

 

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