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Die Lehre der Seuche

04.04.2020

Wär die Seuche doch die Geißel Gottes,
lautes, freches, schamloses Wort in eklen
Schlünden zu ersticken, die Luft zu rauben,
Odem reinen Sinns, verlognen Lungen,
offenbarte sie den Schmerz der Wahrheit,
daß die Nähe trügt, verhülltes Antlitz
unentstellt der Augen jähes Glimmen
läßt vom Grinsen eines schiefen Mundes.
Daß sie Scham und Schweigens Würde lehrte,
Seltenheit des rein gesprochnen Wortes.
Doch sie kuschen wie geschlagne Hunde
nur vor einem dunklen Herrn und Meister,
der ein dumpfes Schmachten wie ein Gärtner
siechen Trieb von hohen Reben schneidet.
Wie in Hunden, die am Pflocke zerren,
lauert innerlich die Wut verschluckten Bellens,
welche sie ihr Recht auf Ausdruck heißen,
Indezenz, die sie für Freiheit halten.
O des Stillstands trügerische Gnade,
Fluß, der sich am hohen Felsen staut und
kaum erstarrt zu schwarzem Teiche, daß wohl
Schwanenfedern darauf leuchten könnten,
schon sich Fugen leckt mit geiler Zunge,
um ins Wilde wieder auszuschäumen.
Daß die Steppe käme, Sand sich häufte,
geisterhaft verwehte goldene Körner,
auf den Treppen, die ins Leere führen,
blauer Azur über Wüsten die Zimmer
überschwämme, wo sie sinnlos warten,
dunkle Zeit verseufzen, einsam sterben.
Daß ich Wölfe heulen hörte in Vorgärten
und Schakale auf verwaisten Plätzen
bitter winseln, unterm Monde Geier
flattern und blutig ein Verwestes rupfen,
ich Altäre sähe überwuchert von wilden
Rosen, Engel in den Nischen lächeln,
weil durch offne Fenster Schwalben fliegen,
über schwebender Monstranz die Lilie
aber trunken sich im Abschied neigen.

 

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