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Ein Geheimdiplomat auf Abwegen

24.05.2013

Ein Mäuse-Epopöechen

Muselrich, Geheimdiplomat in Hintermusien,
Diente dem Kanzler, dem Herrn mit der straffenden Gürtel-
Spange und immer nervös zitternden Härchen der Nase
Willig ergeben. Der Kanzler vertrat die universalen
Mäuserechte, allen voran das freie Wispergetümmel
Allgemeinen Maustums. Denn grenzenlos sollten sie mausen.
Und der alten Sitte von Herkunft und Eigenwüchsigkeit spotten,
All der eigentümlichen Zungen der Heimat vergessen.
Mausesperanto erlernen fürs Gerede ohne den Herzton,
Schöne Phrasen, die alle kapieren, doch keiner bestehn mag.

Muselrich, hochdekoriert mit dem Bauchgebinde aus Purpur,
Silberplättchenband um das heikel verschlungene Schwänzchen,
Alles für Mühen, Tränen und perlenden Schweiß in dem Kampfe
Wider den Ungeist der Zeit, die Verfemung, Verspottung
Wüstentümlichen Maustums, das nicht so artig zu fiepen
Wusste wie Mäusel und Mutz, sondern flirrend-girrenden Sound aus
Öden, Eilanden, Mausmetropolen des Südens und Ostens
Hintermusien eingebrockt hat. Muselrich wusste: Die Urmaus
Lebt und webt in uns allen, so hat sie der ewige Schöpfer
Eingeblasen mit mächtigem Fiep auf immer und ewig.
So galt Muselrichs ganze Kraft dem edlen Geschäfte,
Bild und Geist der Urmaus zu wahren, das Zerrbild zu tilgen.

Also geschahʼs, dass die Order erging, es habe im Amte,
Hurtig sich einzufinden im hohen Hause der Mäusel
Muselrich. Der kam im Barett und gescheuerten Stiefeln,
Schritt behend durch den hohen lichtdurchfluteten Saale
Zu dem feinen Herrn mit der Gürtelspange. Der lächelt
Hold ihn an, die Härchen der Nase zitterten mutvoll,
Und er reicht ihm, in duftiges Leder gebunden, versiegelt,
Auf dem Frontispiz prangt der Urmaus schimmerndes Abbild,
Einen Folioband, strotzend von Mäusegesetzen
Und Paränesen, flammend-verdammend, von Kanzlers
Eigener Handschrift. „Den giltʼs, mein Muselrich“, hub er
An mit fiepender Stimme, „unbeschadet über die Grenzen
Nach dem feindlichen Mausetanien zu bringen, zu tragen
Vor den krustierten Federthron der schamlosen Mäusin,
Feindin des freien Mäusetums, Tyrannin und Götzin
Sklavischer Sitten und üppig verschwendeten Reichtums,
Gütern, die schrundige Pfoten und sehnige Glieder der Armen
Für das Kitzelgelüst und den Sinnenrausch der Verderbten
Schmählich geschuftet. Meuchelmuse muss von nun an
Lassen die Höhnung und die Verletzung der universalen
Mäuserechte. Lassen muss die Tyrannin von der Versklavung
Eigenen Volks, Verprassen von Gütern der Mäuseproleten.

Nimmt die Herzlose, gerechten Maustums Entwöhnte, nicht Wille,
Nicht Verstand in die öligen Pfötchen, siegelt mit eigenen Pfoten
Diesen Band mit den heiligen Rechten der Urmaus nicht willig,
Musst, lieber Muselrich, mit harten Sanktionen du drohen:
Wir sind in Waffen, gilt es die Würde und Freiheit des Maustums!“

Muselrich strebte geschwollener Brust zum Ausgang des Saales,
Seiner hohen Mission Würde und kitzlige Botschaft
Mäuselmam und den lieben Kleinen zu Hause zu künden.
Das gab ein Schwänzeln und Tänzeln, ein freudiges Nas-an-Näschen-
Reiben, ein Schulterklopfen und ach ein schmerzliches Scheiden.
Muselrich blickt noch einmal zurück: Betränt sind die Äuglein
Der geliebten Mäusin, die Kleinen verhuscht unter der Schürze
Mamas, und von innen die verlöschenden Kerzen des Abschieds
Leuchten überm bescheidenen Glanze biederen Maustums.

Glühend, wahnsprühend rollt die Sonne über die Wüste
Mausetaniens. Schlangen, gelb-rötlich gestreift, und schuppige
Echsen schlüpfen und huschen im Sand. Gespaltene Zungen
lecken an brandigem Blattwerk, brüchige Hufe, gespreizte
Krallen durchritzen gierig die rissige Kruste nach Wasser.
Lebens wollüstige Bilder halluzinieren an jedem
Horizont, an jeder Grenze und Schwelle die Wesen
Mausetanischen Lands. So lebt das uralte Maustum
Stolz, hoffärtig, berauscht am Ruhme siegreicher Ahnen
Und dem Glanz, dem Purpurdunst des mausischen Hofstaats,
In den dunklen Gängen, erhaben gewölbten Hallen
Unter dem brennenden Sand. Hier siehst du ein Wunder der Künste
Ragend zum künstlich besternten Rund, aus mauszarten Knochen
Zierlich gefügt, von fächelnden Federn umhüllt, den ererbten
Heiligen Thron der hymnisch gerufenen Götzin
Meuchelmuse. Von ihrem Hofstaat geleitet, nimmt sie
Huldvoll Platz, sie reckt das glückliche Pfötchen ins Leuchten
Tausender Fackeln, es leuchtet der Ring mit dem köstlichen Mondstein.

Den zu küssen mit bravem Knicks und spitzigen Lippen
Kommt nun Mäusin und Maus, aufsingen des staatlichen Chores
Weltberühmte Stimmen und vielbeklatscht die Eunuchen,
Mäusekastraten, den Feinden Hintermusiens als Knaben
Meuchlings geraubt und am Hofe geweiht dem höheren Zwecke,
Fein und rein, verwegen schwellend den Ruhm zu singen
Meuchelmuses, der Herrin. Auf Hälmchen, hohlen Vogel-
Knöchelchen, Muschelhörnchen zupfen und geigen und blasen
Mausetaniens musische Mäusesöhne und -töchter.
Nun steigen duftig-zuckrige Töne auf, erglänzen
Perlenbesetzte Schühchen, das Ballett der schimmerndsten Schönen
Wallt über die blütenbesamten Decken des blauenden Saales.
Keck die Hofzwergenmäuse springen jodelnd dazwischen.

Nun wird perlendes Nass aus Bechern grünen Kristalles,
Wird in geschnitzten Schalen der Nuss der Tau von den Blumen,
Violenpollen, der Orchideen Säfte kredenzt. Dazu reicht man
Beeren, Nachtigalleneier, Samenkörner der Hirse und Gerste.
Mehr und mehr steigt der Kastraten Singsang, des Chores Gesummse,
Steigen die Säfte, die lieblichen Mächte zu Herzen, zu Köpfchen
Meuchelmuse und allen festlich Gestimmten. Da zeigt sich die Herrin
Weichen Sinns und benetzter Wange beim Seufzen des Liedes,
Das ihr kniend Rotmaus, der armenische Sänger entbietet.
Wohlig reckt sie die Füßchen, die mit Troddeln lockenden Beinchen,
Reibt das rosige Pöchen auf dem rosenblättrigen Pfühle.
Blitzender Finger schnippt, und leise senkt sich der Vorhang,
Wie die samten enthauchende Nacht, wenn die Irisblume des Himmels
Letzte Strahlen gegönnt und dem Mondlicht ergeben sich hinbeugt.

Hierhinein, in den Abgrund entbundener Sinne und unkeuschen Schnalzens,
Musste Muselrich es verschlagen, den biederen Mäusel.
Doch geröteter Wange waltet er streng seines Amtes,
Lässt den voluminösen Band der gerechten Sprüche
Mäuserechtlicher Wahrheit rollen auf einem Wagen
In den Feenpalast der mausetanischen Herrschaft.
Wie die Feenmäuschen glotzen, es versagen stimmlich
Rotmaus und Kastraten, Chor und Orchester verstummen.
Schrilles Fiepen hinter wollustwogendem Vorhang bricht ab jetzt:
Durch einen Schlitz aufblitzen der stolzen Königin Äuglein,
Und die Herrin zeigt sich gelassen, entbietet gar höflich
Grüße und Küsse der Hand. Das Preisen des weisen Geschenkes,
Sinnreich vorgetragen vom Gast, unterbricht sie ironisch,
Schnippisch das Pfötchen flaggend. Balsam der Stille dem Gast sei,
Ausgedörrt von Wüstenpfaden und diplomatischem Hochsinn,
Angediehen. Geleitet wird zagen Mutes die biedere Graumaus
Zu den hintern Gemächern, verkleidet mit Schuppen der Echse,
Mit den Flammenhäuten der Schlange bedeckt. Dort soll er
Müßig harren der kommenden Dinge und derweil sich gütlich
Tun an den Düften, Salben und Diensten gehobenen Luxus.

Und so kommtʼs, wie es kommen musste: Die rosige Zofe
Muselmohn nimmt seiner sich an, sie knöpft ihm den lästigen
Diplomatenlatz auf und streckt die plustrigen Daunen
Ihm unter dankbaren Rücken. Wie sie sich beugt über die Stirne
Ganz hingekuschelten Mäusrichs und er gewahrt die rosige Ründe
Sich entzünden in tiefem Dekolleté der leise summenden Zofe,
Da beginnen die Mausheitsträume zu blassen, die Sprüche,
All die geharnischten edlen Formeln, sie kringeln sich plötzlich
Anmutvoll wie das ihn umschlängelnde Schwänzchen der schönen
Dienerin. Strenge Weisheit will feiern. Was Sklaven! Was Hofstaat!
Hier doch rauschen die Feste, die Herzen schwimmen in süßen
Illusionen, Musik ist der Tugenden höchste und schönste.

So vergaß unter den duftenden Pfötchen der Liebe, bei sinnen-
Frohen Festen in illuminierter Grotte der Mausrich
Seines Auftrags, des hohen Amtes, der universalen Geltung
Mäuslicher Rechte und Pflichten. Der Heimat vergaß er,
Neuen Sehnens Düfte ließen ihm Gattin und Kinder
Fern entrücken. Als Mundschenk der Königin lebte dahin er,
Hymnen verfasst er der Herrschaft des Schönen, des lieblichen Rausches.

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