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Pseudopodien der Liebesangst

09.04.2014

Kleine deutsche Stilübungen IX

„Wie könnten wir, in siamesischer Liebe vereint, uns trennen – flüsterst du mir nicht, was ich kaum gefühlt, ins Ohr, sprichst du nicht, was ich kaum gedacht, klar und deutlich aus – fühle ich nicht, was du schüchtern oder schützend ins Schweigen hüllst, was du vor dir selbst verbirgst, beseligt oder peinigend genau?“

„Bleib ganz nah, geh nicht weg – sonst kann ich mich in deiner Pupille nicht mehr sehen und stürze ins Leere.“

„Bleib ganz nah, geh nicht weg – sonst zieht mir in die Nase statt deines lieben Dufts der fade Dunst der Wirklichkeit.“

„Bleib bei mir, geh nicht weg – sonst verbleicht dein mich bergender Schatten und das grelle Licht des Lebens blendet mich!“

„Bleib ganz nah, geh nicht weg – wenn du entfliehst, stranguliert mich der Strick um den Hals, der mich mit dir verbindet.“

„Du kannst mich nicht verlassen – ich habe keine Wurzeln in der Erde getrieben, sondern in deiner Luft wurzelnd und dich umschlingend bin ich an dir emporgewachsen.“

„Dreh mir nicht den Rücken zu – sonst verzehre ich mich, nähren mich doch einzig deine Blicke.“

„Verlass mich nicht – ich verstumme ja, rührt deine sanfte, starke Hand nicht mehr die wohlgestimmten Saiten meiner Seele.“

„Verlass mich nicht – sonst würgen meine eignen Worte mich, die doch nur Geltung finden, die wahr nur werden in der Muschel deines Ohrs.“

„Bleib ganz nah – nur Gebüsch und Bausch deines Haares gönnt mir das Dunkel, die Bergung vor feindlichem Strahl.“

„Verlass mich nicht – zerschneidest du das Band, flieg ich ins leere All, ein schwereloser Luftballon.“

„Wende dich nicht ab – ohne den reinen, lauteren Spiegel deiner Seele werde ich mir hässlich und verhasst.“

„Schüttelst du mich ab – ich fall zu Boden vor der Zeit, eine unreife Frucht.“

„Verlass mich nicht – einzig du vermagst die scheu flackernde Flamme meines Lebens mit gütigen Händen zu behüten, da draußen geht ein schwarzer Wind.“

„Du, geh nicht fort – einzig du kannst, meinen Namen rufend, mich in des Daseins Unschuld wecken.“

„Verlass mich nicht – ohne den süßen Rhythmus deines Lieds vertanz ich mich, erlahme ich, muss mich an toten Krücken hangeln.“

„Du, geh nicht fort – ohne den Schlüssel deiner Küsse bleibt mir der Mund verriegelt alle Zeit.“

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