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O grüne Nacht

14.01.2023

O grüne Nacht der Jugendzeit. O Rinnen
von lichten Wasserkugeln über Locken,
die sich mänadentrunken ausgeschüttelt,
da lau in Binsen blies der Sommerwind.
Und Stimmen, Stimmen, liebesschwanker Nester,
gewiegt von Wellen, weichumflaumtes Lied,
o Wirbel, purpurn, in durchsummter Luft,
und auf den Wasserrosenblättern gingen
in seidnen Schnabelschuhen bunten Lichts
die Boten Edens, nackt und kußumwölkt.
Und Lippen waren, feuchte Siegel, rot
geflammt von gnadenfroher Psalmenlohe,
die süß durch Gras und Strauch geknistert
ein Lächeln über dunkle Wogen sprühte.
Wie ist all dies herabgesunken, bröckelt
wie welker Putz von Vorkriegsziegelmauern
im tristen asphaltierten Hinterhof,
wenn wankend wir am Fenster stehen, weiß
das Haar und grau das Herz, der schwarze Samt
der Nacht befleckt vom Grünspan eines toten
Steins. Und was da aus den Winkeln steigt,
aus dem Morast des abgetanen Lebens,
ist es das bange Fiepen einer Maus,
um die sich schon die kalte Tatze schmiegt?
Ist es der Wehruf der Erinnerung,
die einer Glucke gleich, die ihre Küken
um sich schart, und fühlt den Schatten schon,
den tödlichen, bevor er niederstürzt?

 

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