Bemerkungen zur Sprache
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Alle Glieder und Organe des menschlichen Körpers haben ihren Namen. Wir sprechen nicht nur von Fuß, Bein, Knie, Bauch, Arm, Hand und Kopf, sondern bei der Hand von den Fingern und wieder von Daumen, Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinem Finger, Handballen und Handwurzel; nicht nur vom Kopf, sondern von Stirn, Wangen, Mund, Lippen, Augen; und wieder nicht nur vom Auge, sondern von Lidern, Wimpern, Augapfel, Iris und Pupille.
Allerdings genügen dem Chirurgen unsere gleichsam naturhaft gewachsenen Alltagsbenennungen nicht, um seine minutiösen Schnitte zwischen Adern und Nerven zu machen; hier bedarf er der Erweiterung der medizinischen Fachterminologie, die sich mittels immer neu verfeinerter Beobachtung entfaltet hat.
Es ist ein Unterschied, ob ich sage „Er gab mir die Hand“ oder „Er ließ mich seine Pranke spüren“. – In beiden Fällen liegt semantisch das zugrunde, was wir das Bedeutungsradikal <Hand> nennen können; an der Fülle der Variationen ermessen wir den sprachlichen Reichtum semantischer Nuancen: Hand, Pranke, Tatze, Pfote, Faust, Händchen, Pfötchen, Fäustchen.
Pranke ist eine schlichte Benennung, wenn es sich um einen Löwen handelt, auf Menschen gemünzt, ist es eine metaphorische Zuspitzung, die eine humoristische Note oder satirische Übertreibung leisten mag.
Die Hand eröffnet uns das weite, unübersichtliche Bedeutungsfeld des Handelns und der Handlung, in dem wir uns vor philosophischen Fallstricken zu hüten haben.
Wir sprechen von Handzeichen und meinen damit, daß eine mit der Hand ausgeführte Geste und Bewegung nach einem bekannten Zeichencode erfolgt, so daß die Geste von jenem, dem sie gilt, ohne weiteres decodiert werden kann. Der Code kann gleichsam natürlich aus der Alltagskommunikation erwachsen (herbeiwinken, zum Abschied winken) oder bereichsspezifisch konventionalisiert worden sein (die Handzeichen des Dirigenten, die mit einem Stab in der Rechten verstärkt werden).
Das meiste, was wir tun, bedarf der mit Hilfe von Greifen, Nehmen, Geben tätigen Hand. Wir handeln mit der Hand, so wie wir mit den Agen sehen.
Einer bewegt die Figur der Königin auf dem Schachbrett; damit verfolgt er die Absicht, dem Gegner Schach zu bieten. – Hat er den Bauern geschlagen und Schach geboten, sprechen wir von der Tatsache, daß sein Spielzug erfolgreich war und seine Absicht oder der Handlungszweck erfüllt wurde.
Freilich, wir können Schach zu spielen träumen oder davon, den verstorbenen Freund zu sehen. – Doch scheuen wir davor zurück, dies im eigentlichen Sinne Schach spielen oder sehen zu nennen.
Allerdings dürfen wir, was wir mit handeln und Handlung meinen, nicht auf den Begriff eines absichtlichen Tuns einengen; denn vieles tun wir gleichsam routiniert, ohne mit jedem Handlungsschritt eine bewußte Absicht zu verbinden; Fahrrad fahren etwa, aber auch reden.
Unterhalten wir uns oder plaudern, schlagen wir nicht unentwegt gleichsam in einem unsichtbaren Wörterbuch nach, um das jeweils passende Wort oder eine besseres Synonym zu finden, wir bilden nicht im Geiste einen Satz in der Absicht, ihn hernach lautlich zum Ausdruck zu bringen, sondern formulieren die Aussage beim Reden.
„Wer handelt, wer spricht?“ – Metaphysik legt uns Fallstricke im Bedeutungsfeld der sprachlichen Kommunikation mittels vertrackter, in Aporien führender Fragestellungen aus.
Mein Freund Peter liest, was ich ihm geschrieben habe. Er sieht es leibhaftig mit seinen leibhaftigen Augen vor sich. Aber ist diejenige Instanz, die liest und lesend versteht oder nicht versteht, sein unsichtbarer Geist oder sein Gehirn? – Es ist Peter, der liest, und diese Auskunft muß uns genügen.
Sind Peters Augen aber nicht gleichsam Instrumente, mit denen er die Handlung des Lesens ausführt, so wie der Handwerker mit den Händen das Werkstück bearbeitet?
Freilich, Peter kann, um eine Sehschwäche auszugleichen, eine Brille aufsetzen, wie der Handwerker einen Hammer zur Hand nehmen kann, um seinem Zweck Nachdruck zu verleihen. Aber Peter kann nur lesen und lesend verstehen, was ich ihm geschrieben habe, weil er lesen gelernt hat. Und er kann nur verstehen, was er liest, weil er Bedeutungen und Bedeutungseinheiten zu identifizieren gelernt hat; zum Beispiel die Bedeutungseinheit einer Frage anhand der Wortstellung und des Fragezeichens.
Doch wird mein Freund mit den rhetorischen Fragen „Stammt nicht auch das krumme Holz Kants aus dem großen Wald der Natur?“ oder „War nicht der Wicht Napoleon eine historische Größe?“ überfordert sein, wenn er nicht zwischen echten und rhetorischen Fragen, zwischen aufrichtigen und ironischen Aussagen zu unterscheiden gelernt hat.
Nachdem Ödipus das grauenhafte Rätsel seiner Herkunft herausgefunden hat, blendet er sich am Ende der Tragödie des Sophokles; aber der Schauspieler tut dies nicht wirklich, sondern nur scheinbar; die Handlung ist eine Scheinhandlung, denn sie spielt im fiktiven Rahmen eines theatralischen Spiels.
Wir tun nicht gut daran, unser alltägliches Reden und Handeln in Anführungszeichen zu setzen und indem wir es sozialen Rollen und ihren Funktionsträgern zuweisen, gleichsam zu theatralisieren; denn damit nehmen wir ihm den Ernst. – Die echte Mutter spielt nicht Mutter und der Moribunde spielt nicht den Sterbenden.
Es ist daher angemessener, statt von Sprechakten von Sprachhandlungen zu reden; der Anklang an Rollenspiele und theatralisch-fiktive Akte ist verfänglich.
Die Chorlyrik der antiken Tragödie hat viele Anklänge an jene kultischen Gesänge, die ihren Ursprung im Kult des Dionysos verraten. – Doch sollen wir etlichen hebräischen Psalmen wegen ihres Kunstcharakters den echten Rang von Gebeten absprechen?
Wie können wir zwischen dem künstlichen Schnee auf den Gipfeln der Hymnen Hölderlins und den schmerzlich blendenden Kristallen echter Frömmigkeit unterscheiden?
Nur doktrinäre Narren wähnen, die Sprache könnte über den konventionellen Zuwachs des Wörterbuchs hinaus in ihren grammatischen Tiefenstrukturen willkürlich nach eigenem Gusto und Ermessen verändert werden, ohne daß der Sprachgeist empfindlichen Schaden davontrüge.
So kommt die Gendermanie des hypermoralisch kastrierten unzüchtigen Gewäschs dazu, statt von Studenten von Studierenden, statt von Wissenschaftlern von Wissenschaffenden zu schwadronieren, zu dumm, um zu begreifen, daß auch schlafende Studenten Studenten bleiben, nicht aber schlafende Studierende, daß eine wesentliche Leistung des Wissenschaftlers darin besteht, vorgebliches Wissen als Scheinwissen zu entlarven.
Nur der ideologisch fanatisierte Narr glaubt, mit Ausdrücken wie Lehrer, Zuhörer, Fahrer oder Kenner seien nur Männer gemeint. Als erklängen nur tiefe Stimmen, wenn der Sängerkreis zusammenkommt.
Selbst das medial aufgehübschte Lyrikwunderfräulein spricht heute von Autoren und Autorinnen, Lesern und Leserinnen.
Der Mohr von Venedig muß heute eine Maske tragen – über der Maske seiner Rolle.
Der neue ideologische Puritanismus stört sich an der Nacktheit der Venus, aber nicht an der obszönen Entblößung seiner pervertierten Sprache, vom Exhibitionismus jener, die sie nackt in Lederriemen geschnürt festtäglich hinauskrakeelen, zu schweigen.
Sie haben keine sprachliche Schöpfung vollbracht, das Sprachcliché und die Phrase genügen, um sich selbst ins Scheinwerferlicht zu rücken und den wahrhaft Schöpferischen in den Schatten des Parias.
Muß ich, weil jene, die den Genozid am jüdischen Volk zu verantworten hatten, die ethnische Relevanz des Volksbegriffs voraussetzten, nunmehr der kulturell zerstörerischen Auflösung und Vermischung aller Völker und Nationen das Wort reden? Wäre dies Ausdruck eines trügerischen Schuldempfindens oder schlicht logische Dummheit?
Ich bin nicht geneigt, halbrohes Fleisch zu verschlingen, weil der Führer es verschmähte, auch nicht, um das barbarische Gebrüll des Klumpfußes zu vermeiden, pseudolyrisch zu röcheln.
Muß ich einzig ungegenständlicher Kunst huldigen, weil die Falschen die gegenständliche zum Fetisch erhoben?
Soll ich, um dem Verdacht metaphorisch gesüßter Verse zu entgehen, nur saure poetische Trauben anbieten?
Scheinleben ohne Kontakt mit den tragischen Mächten des Daseins in sekundären Institutionen und kulturellen Blasen wie Hochschulen, Parteien und Parlamenten kompensiert seine Erfahrungsarmut in Sekundärsprachen inzestuöser Abkunft wie dem Genderkauderwelsch oder den hysterischen Litaneien der Klimareligion.
Wieso bestehen Antirassisten darauf, die öffentlichen Bildschirme mit immer mehr Angehörigen einer bestimmten Rasse, der schwarzen, zu bevölkern?
Wenn es zum Schwur kommt, im Verteidigungs- und Kriegsfalle, lassen jene, die sie nur locker angelegt haben, die Maske der Integration bald sinken.
Was kann es unter Angehörigen konfligierender Kulturkreise Pazifizierenderes geben als die Trennung von Tisch und Bett, alias Apartheid?
Wie der Fall Arminius zeigt, ist es bisweilen ein Zeichen machtpolitischer Kurzsichtigkeit, den Kulturfremden die eigene Sprache lernen und in die Arcana der Herrschaft eindringen zu lassen.
Muß ich die Ilias Homers und die Gedichte Pindars auf den Müll werfen, weil sie Angehörige einer imperialen Welt waren, die Pflanzstädte und Kolonien rund um das Mittelmeer bis ins heutige Rumänien, Nordafrika und Asien gründete? Von der Literatur der Römer, die ganz Europa kolonialisierten und uns zum kulturellen Nährboden machten, zu schweigen.
Klassische Schriftsteller wie Herder, Kant, Hamann und Goethe, die sich wie die antiken Historiker Herodot oder Tacitus des kulturellen Unterschieds der Völker und Ethnien bewußt waren, werden nach und nach zensiert. Wann werden ihre Denkmäler verhüllt oder abgetragen, die nach ihnen benannten Straßen umbenannt?
Was wir Norm nennen, können wir an der normativen Struktur der Sprache ablesen. So muß ich etwa, um das Denkbare dem Faktischen gegenüberzustellen, die sprachlich korrekten Formen des Irrealis bilden können: Würden wir hier einen Durchgang schaffen, dürfte sich der zeitlich-energetische Aufwand zur Bewältigung der Strecke halbieren.
Normal aber nennen wir, was das biologische und soziale Leben sichert, auf Dauer stellt und so lange währt wie möglich: Die monogame Familie ist die Norm des Gemeinschaftsleben, nicht weil es rechtgläubige Fanatiker ihren Schriften entnehmen, sondern weil die Nachkommenschaft nur mittels der Vereinigung geschlechtlich polarer Gameten, sprich von Mann und Frau, gesichert wird und im besten Falle wohlbehütet aufwächst und mit dem erforderlichen Können und Wissen (wie der Sprache) versorgt wird; und weil das soziale Leben mit seinen Versorgungseinrichtungen nur durch die geregelte Abfolge der Generationen auf Dauer gestellt werden kann.
Norm der Sprache ist die Verständlichkeit, das heißt die möglichst eindeutige und unmißverständliche Übermittlung von Tatsachen, Wünschen, Fragen, Erwartungen und Erinnerungen mittels ökonomisch eingesetzter lautlicher Mittel; normal, was wir als angemessene Mittel zur Erlangung der uns vorgegebenen objektiven Zwecke des sozialen Lebens, wie beispielsweise seinen Erhalt mittels Nachkommenschaft, akzeptieren.
Wir erkennen und ermessen die Kraft der Normen an den Sanktionen, mit denen sie bewehrt sind, oder den fatalen Folgen, die ihre Übertretung nach sich ziehen, Wer aufgrund einer neurologischen Erkrankung unverständlich redet, kommt ohne Hilfe im Leben nicht mehr zurecht; wenn mehr und mehr ihrer Verächter die Institution der auf Nachkommenschaft zielenden Ehe diskreditieren, ist die Gemeinschaft auf Dauer vom Aussterben bedroht.
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