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Bei einem Engel in der Lehre

08.04.2021

Wollest, Herr, mir einen Engel schicken,
einen aus den hohen Chören,
die um deinen Thron hold schwirren,
mit Gesang Mariens Herz erquicken
und Franziskus selbst betören,
sende, Herr, mir einen
in des dunklen Lebens Wirren,
einen zarten kleinen
oder, Gott, auch einen rosenfarben dicken.

Will ihn recht verwöhnen,
reiche Kuchen ihm und gieße Milch,
ist er auch ein zarter Knilch,
kann er doch die Lieder singen,
jene nachtigallenschönen,
die wie Äolsharfen schwingen
und zu deinem Ruhm ertönen.

Ist mein Haar, mein Herz auch grau,
will am Ende ich noch lernen,
was als Hochgesang dort gilt
unterm Blütenkranz von Sternen,
als des Wohllauts Duft ins Himmelsblau
Blumenlippen keusch entquillt.

Welche Maße, Reime, Strophen
feinste Ohren wohl erlaben,
an Metaphern, schlichten, hypertrophen,
ob an Zeilensprüngen sie Gefallen haben,
das soll mir der Engel weisen,
denn im Dickicht dieses Jammertales
fand ich Odensonnenschneisen
nicht, nur Geisterflackern, fahles.

Herr, ich brauch des Engels Lehre,
denn hier ritzen Wahnes Dornen,
und das schwarze Blut fließt hin in leere
Furchen für die Feier stummer Nornen,
was den Vetteln sie entrichten,
also hat dein Himmel sich verdunkelt,
Fluch und Schreie, die auf Sinnes Reim verzichten,
als hätt Sehern nie dein Stern gefunkelt,
preist man hier als großes Dichten.

Ja, hier gilt als Fluch der Zeiten,
immer mit sich selbst im Zwist
abzuschwören deinen blauen Ewigkeiten,
wo der Zwist der Liebe süße List,
ja, hier sind die Furchen voller Stoppeln,
lesen heißt dich keuchend hoppeln,
schimmertʼs zwischendrin wie edler Stein,
war es bloß ein abgenagtes Totenbein.

O, es wolle, den du sendest,
mir dein Engel in den Abendsonnen
auf dem Fenstersimse stehen,
und von Fäden Lichts umsponnen,
daß mein Schicksal du noch wendest,
kindlich mit den Flügeln wehen,
denn das ist die Art der Deinen,
daß sie lieben, die da lächelnd weinen,
sind sie dunklem Weh entronnen.

Ach, sein Abschied wird mir leicht,
kann ich meine Augen schließen,
fühle seinem Lied entfließen
Tau, der meinen Schmerz erweicht.

 

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