Klagesang
Wie schwach sich blassem Mund entrang
verlassener Seele Klagesang,
daß dunkle Feuer in uns glühen.
Die Tropfen sind umsonst geronnen,
kein Veilchen mocht im Abgrund blühen.
O Tau, Trank gnadenloser Sonnen.
Aus weichen Reimen form den Krug,
vom Sinnhauch fest und dicht genug,
und birg sie, daß der Klage Tränen
nicht trocknen auf verwaisten Schwellen.
Dann schweige, Dichter, mit den Schwänen,
die schwanken Schlafs die Nacht erhellen.
Kreuz auf dem Hügel
Daß es in Nacht, ins dunkle Schweigen ragt,
worin die Segenssprüche längst erloschen,
des Lichtes Garben faulten ungedroschen,
hat kalter Hohn dies, heißer Schmerz gesagt?
Als wir die Kerze dort entzündet, spät,
der Pfad war überkrustet schon vom Schlamme,
hat bang im Wind geflackert ihre Flamme,
und Löcher riß Verzagen ins Gebet.
Sag, ob umsonst der Mutter Träne floß,
ob sie im dürren Karst den Keim noch nährte
für lichterweckter Hoffnung edlen Sproß.
Sag, Dichter, ob dein Vers noch eine Fährte
zur Wunde weist, die Liebessinn ergoß,
wie ihn sein glühend Herz Herzlosen lehrte.
Herbstgefühl
Des Frühlings Klagen sind im Herbst verdampft.
Still glomm die Traube, Gier hat sie zerstampft.
Ins Dunkel rann der lichte Tau.
Ein Wolkenflaum, der Schwermut noch entzückt,
ward bald von einem Sichelmond zerstückt,
leer wölbte sich Unendlich-Blau.
Die Hand, so weiß und lilienblütenmatt,
ich hielt sie dir, ein lebensmüdes Blatt,
das, hielt ich’s nicht, ins Leere fiel.
Dein Auge, feucht von fahler Sehnsucht Glanz,
sank in der Zweige bacchisch-wehen Tanz,
o Blick der Liebe ohne Ziel.
Und als dein Haar, die blaue Finsternis,
wie eine Woge mich zum Abgrund riß,
ließ fallen mich der Schmerz, die Lust.
Wollt heben mich des Morgens roter Schrei
zum Sklavendienst am dumpfen Einerlei,
kalt läg ich an der warmen Brust.
Sibirischer Tiger
Herrscher du im Schneegefild,
immer bleibt dein Sinnen wild,
dunkel deine Glut.
Amur strömt die Kunde fern,
stets durchglimmt ein heißer Stern
deines Adels Blut.
Der schwarz zwischen Halmen blinkt,
Angstdunst von der Hirschkuh trinkt,
Töters ist der Blick.
Und du brichst mit einem Zahn,
weißer als der Sage Schwan,
jählings das Genick.
Wie das edle Fell sich bauscht,
hat der Seele Ohr erlauscht,
die im Farne schleicht.
Und der Ruf der Tigerin
saugt aus knochenhartem Sinn
Mark, vom Traum erweicht.
Springest nach dem zarten Biß
wieder in die Finsternis
hoher Einsamkeit.
Hörst nicht mehr im Nachtgeviert,
wenn sie ihren Wurf gebiert,
wie sie nach dir schreit.
Hüte dich vorm Schattenmann,
teuflisch unter Dämons Bann
spaltend Herz und Holz.
Sein Gebiß ist scharfer Geist,
Ödnis nur, was er verheißt
für der Tundra Stolz.
Deiner Schwester schönes Haupt,
ihrer Augen Glanz beraubt,
starrt auf rotem Samt.
Stapfe tiefer in den Schnee,
daß kein schnöder Mensch es seh,
wie dein Auge flammt.
Fatale Epiphanie
Gelockt hat dich vom Schulweg Katzengold,
wo mit zernarbtem Ranzen du gegangen.
Des Sommers pralle Schoten, wie sie sprangen,
und grüner Waldesodem schien dir hold.
Ah, deine Lungen preßte Schluchzen heiß,
als du wie Gischt das Haar hast flirren sehen,
die Nymphe überm Fels der Quelle stehen.
Grün war ihr Blick und ihre Brüste weiß.
Du hast das Wort vergessen, armer Schüler,
das zwischen Sapphos Lippen glühend sproß,
und wandest dich wie auf der Folterbank.
Sie sprühte mondnen Hauch nur immer kühler.
Du ranntest heim, das Fatum fiel ins Schloß,
in Kissen dich zu wühlen, fieberkrank.
Sonett für Seelenforscher
Die Seele fließt gestaltlos fast wie Gas.
Ein Schatten flog dich an, ein Duft, ein Lächeln,
du willst es dir vom müden Antlitz fächeln,
doch neigst du dich wie taubeschwertes Gras.
Der Quälgeist Ich, die Mücke, ist gemein.
Sitzt niemals still, muß, muß stets um dich schwirren.
Ein Schlag, umsonst! Noch heißer kreist ihr Sirren.
Nachts schrickst du auf, sie stach dir zart ins Bein.
Ein Fremdling ist, der unterm Dachfirst haust,
Erinnerung an früher Kindheit Tage.
Wie’s dich, hörst du ihn krampfhaft husten, graust.
Und täglich stellst du ihm vor dem Verschlage
die Armensuppe, die du selbst dir braust.
Der Löffel klirrt – o Silberton der Sage.
Sonett vom Dichtermut
Das edle Antlitz, Anmut weichen Ganges,
sie leuchteten wie Bilder von Watteau,
sie stimmten, Gesten hoher Huld, uns froh,
als schwöllen Wellen lieblichen Gesanges.
Daß du nicht müde wardst des Überschwanges,
quoll aus des Seraphs Mund das A und O,
entbrannte deiner Schwermut dürres Stroh,
und mit den Engeln flogst du, gleichen Ranges.
Du siehst den Flügel im Morast verwesen,
das Antlitz überfleckt von schwarzen Pocken,
hörst Klauen wölfisch Wohllauts Samt zerreißen.
Sieh, wie uns Dichtermut aus kruden Brocken
ein Mosaik ersinnt, zart und erlesen,
wo weiße Blüten keuscher Anmut gleißen.
Am Sterbebett zu singen
Ein Ton, ein Seraph, lichtgekeimt,
es öffnet sich ein Ohr nach innen,
die Augen schließe nur gemach.
Nicht hält, was uns zusammenleimt,
so gib dem süßen Singen nach,
ins Grenzenlose zu verrinnen.
Ist dies der Rose sanfte Glut,
was deiner Schwermutnacht entsprossen,
genährt mit deinem hellen Blut?
Schon ist, daß er die Rätsel kühlt,
ein Tau auf deine Stirn geflossen.
O kalte Stirn, die nichts mehr fühlt.
Clément Marot, Epigramme de soy mesme
Plus ne suis ce que i’ay esté
Et ne le sçaurois iamais estre.
Mon beau printemps & mon esté
Ont faict le sault par la fenestre.
Amour, tu as esté mon maistre,
Ie t’ay seruy sur tous les Dieux;
O si ie pouuois deux foys naistre,
Comme ie te seruiroys mieux!
Ins eigne Fleisch geritzter Spruch
Wie mußte, was ich war, vergehn,
so werde niemals mehr ich sein.
Mein Frühling war, mein Sommer schön,
und Trunkenheit brach sich das Bein.
Dir diente, Liebe, ich allein,
denn überhimmlisch strahlt dein Mund.
Gäbst wieder du den Becher Wein,
ich leerte ihn bis auf den Grund.
Kein Himmel tauet den Gerechten
Aus dunklem Abgrund schreit es: Herr, errette!
Doch weh, kein Himmel tauet den Gerechten.
Es verlustieren die Gemeinen sich, die Schlechten,
siecht hin der Fromme auf dem Sterbebette.
Verwaiste Seele fand sich keine Stätte.
Mit Schattenbildern mußten Denker fechten,
da unter hellen Lüstern Narren zechten
und Hurer schabten ab vom Samt die Glätte.
Ach, Liebe, dieser Finsternis entrinnen,
aus der obszöne Flammenzungen lecken,
durchs Netz der Nacht, das kalte Nornen spinnen,
die Hände nach dem Gold der Trauben recken
und Milde träufeln den zermürbten Sinnen –
still unter Sternen liegen ohne Schrecken.
Sich jählings schließende Stanzen
Du träumtest unter hoher Lauben Schwanken,
durchs Blattwerk fielen Tropfen weichen Lichts,
auf daß sie wüschen ab die Schmerzgedanken,
zu glätten dir die Falten des Gesichts.
Du recktest dich empor, gleich Schwermutkranken,
ins hohe Rauschen orphischen Gedichts.
Wie Tränen rinnen von geliebten Wangen,
war bald, ein Wahn der Nacht, der Glanz zergangen.
Du stiegst vom Strom hinan durch Dämmerreben,
vorbei an voller Trauben süßem Glimmen,
und weiche Lüfte schienen zu beleben,
vom Geist der Liebe zart erregte Stimmen.
Du riefst ihn an, empor dich doch zu heben,
wo Wolken in die blaue Leere schwimmen.
Als atemlos den Gipfel du erklommen,
sankst vor dem Kreuz du nieder, wie benommen.
Das Zwiegespräch von Erde und Sonne
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Verwesungsgeruch, in den sich süßliche Aromen mischen.
Je länger einer lebt, umso mehr oder gewichtiger scheinen die Gründe für den Wunsch zu werden, nicht gelebt zu haben.
Wären die Blicke der Verachtung giftige Pfeile, gäbe es keinen Grund zur Sorge um die Übervölkerung des Planeten.
Würfen die Blicke der Angst, des Hasses, der Mißgunst Schatten, wir hausten immerdar in Nacht und Nacht.
Die schlichte Existenz genügt, um Argwohn, Verdacht, Ressentiments zu wecken, geschweige denn die eitel sich blähende oder die vom Glück besonnte.
Die Passanten grinsen, wenn der Linkische stolpert; die Meute geifert, wenn dem Prediger der Verständigung das Maul gestopft wird.
Wer nicht der Meinung der Meinungsmacher ist, wird mit dem sozialen Tode bestraft.
Der Schnee der Gipfel glänzt auch den Bewohnern der Schattenwelt.
Sie tragen Steine in den Rucksäcken auf dem Pilgerpfad des Lebens.
Sie schauen indigniert, sagt einer wie Wittgenstein: „Wirf ab die Last, dann geht es sich leichter!“
Der natürliche Mensch, dem die aurea mediocritas kein Ausweis von Mediokrität ist, gilt für fade, rückständig, krank, als eine zum Aussterben abgestempelte Spezies.
Je wahnwitziger, verrückter, obszöner eine Idee, eine Mode, eine künstlerische Darstellung, umso begeisterter und frenetischer die stumpfsinnige Menge.
Bei sich bleiben, sagt Seneca angesichts der Unsteten, können sie nicht.
Stumpf- und Dumpfsinn ist die Regel, Geschmack für die Nuance oder Genie die Ausnahme.
Der Finger der Unzucht oder das erigierte Szepter mit der Prätention auf die Weltherrschaft.
Aus blutigen Greueln und dem Morast des Chaos erhob sich die Blüte der klassischen Dichtung Roms.
Wer nicht sagt, was alle meinen, nicht wiederkäut, womit alle sich die geistige Leere stopfen, ist schon der Häresie verdächtig.
Der Dichter, der auf scharfen Graten balanciert, ohne Hoffnung, einmal noch den wunden Fuß aufs weiche Moos stiller Auen zu setzen.
Im geritzten Fleisch der Muschel wächst die Perle heran.
Die den verhängnisvollen Blick nicht einmal spürte, Eurydike.
Marionetten, die an den Schnüren des Zeitgeistes zappeln, schwadronieren von Freiheit und Selbstbestimmung.
Sogenannte Kunstproduzenten, die den Auswurf des Ekels parfümieren, ja nicht einmal mehr parfümieren.
Weibliche Eierstöcke oder die Brutstätte der Unterwerfung und des Kriegs der Männer.
Überwundene Scham gilt ihnen für das Unterpfand des Sublimen.
Freilich, die Pflanze schweigt im Tageslicht, doch seufzt sie in der Nacht des Wurzelreichs mit ihren Schwestern von der Sonne des Siegs.
Stil und Zweige sind das Skelett, die Blätter das Fleisch der Orchideen; was sie dem Licht entgegenrecken, das in Wohlgeruch gehüllte Geschlechtsteil voller Pollen und Samen.
Über das Zwiegespräch von Erde und Sonne ward noch keine Rhetorik, keine ars poetica geschrieben.
Das Flüstern der Nacht, der Sonne Kriegsgeschrei.
Fröschen dünkt ihr Gequake das eigentlich Schöne.
Jedes bleibt seinem Element und Medium verhaftet, das Auge dem Licht, der Gang der Schwere, der Flügel der Luft. Und das menschliche Wort, vermag es sich selbst zu übersteigen?
Was da gärt und gluckst im Morast der Lüge, schmeichelt dem Zeitgeist als Offenbarung des Wahren, Guten, Schönen.
Als wäre er auf einen steilen Paß gestiegen, auf dem keiner mehr mit ihm ging; niemand ist, ihm zu sagen, ob jenseits des Gebirges die fruchtbare Ebene seiner harrt oder die Wüste.
Der Dirigent bewegt bei der Achten Bruckners bisweilen die linke Hand wie in spastischen Zuckungen, dem Zweige gleich, von dem der fatale Sturmwind Tautropfen schüttelt.
Torheit rodet mit der glitzernden Sense der Interpretation das Schilf der Metaphern, um sich freie Sicht auf das dahinterliegende eigentlich Gemeinte zu verschaffen; aber das Schilf rauscht für sich selber.
Ja, das dichterische Wort vermag sich selbst zu übersteigen; als würde sich im Flügel des Gesangs das Geheimnis der Luft und des Windes offenbaren.
Als bohre sich der Strahl im Fleisch des Lebendigen ein Auge, lege die Sonne ins Nest der Nacht ein Herz, um sich selber zu empfinden.
In Bach, Mozart, Beethoven, Bruckner teilt sich uns ein Sinn mit, der nach Wittgenstein nicht sich sagen läßt.
Das Wasser, das Schubert zum Klingen bringt, ist gleichsam das Medium, das uns trägt und in dem wir liebend gern, gern liebend untertauchen und ertrinken.
Die Sonne grüßt die ungeheuren Schöpfungen, die sie aus dem Schoß der Erde zog; die Erde aber schweigt und dreht sich in die Nacht.
Die Sonne schlürft den Schaum der Ozeane, das Zwielicht melkt die trägen Wolken.
Gezwitscher steigt mit Lerchen in den blauen Zenit; der Nachtigallen Wohllaut sickert aus dem Blattwerk der Dämmerung.
Die Sonne peitscht die durstigen Herden; der Mond tränkt des Dichters mürbe Lippen mit dem Tau des Reims.
Am Atem sparen, bis wärmer er das Herz des Verses füllt.
Dichtung, Mark der Nacht, Kristalle, die im Strahl der Sonne rein, im Mondlicht wie ein Claire-obscur ertönen.
Kybele, die Mutter, ruft: Dein Sonnenwagen wird in meinem Dunkel landen. Dein Singen, Kind, in meines Dämmers Schilf verebben.
Das Zwiegespräch hat kein Ziel, ist sich selbst genug.
Die von außen, physikalisch und kosmologisch, gemessene Zeit ist nicht die Dauer, mit der die sich Unterredenden den Zeitraum des Gesprächs aufspannen.
Die mit dem Metronom gemessenen Takte und Zeitabstände geben uns nicht die Grade der Intensität des Gehörten.
Nicht nur die Silbenzahl, auch der Wert der Zäsuren und Dihäresen sowie der Wechsel von Daktylen und Spondeen konstituiert die Dauer des Hexameters.
Der Einschnitt der Mittelzäsur des Pentameters gleicht der harten Fügung, mit der sich Nacht und Tag, Erde und Sonne widersprechen.
Flut, sie muß verrauschen, Gischt des Tags im Schilf des Schlafs versickern, Blume des Munds sich vor dem Schnee des Monds verschließen.
Das Sonnenkönigtum ist die Krone aller staatlichen Herrschaftsformen – vom japanischen Nippon bis zum Königtum der Douce France und aller Herrschaftshäuser, die den Sonnenadler im Wappen trugen, ob den Legionsadler der römischen Heere oder den Doppeladler der Habsburger Monarchie.
Freilich, wer auf dem Reichstag statt der hoheitlichen die Flagge der Entartung hißt oder das im Paß und Ausweis integrierte Emblem des Reichsadlers an jeden dahergelaufenen Nichtdeutschen verteilt, bekundet damit nur die Verachtung für seine Herkunft und die einstige Größe der eigenen Kultur.
Ähnlich wie Zweige, Ranken, Wipfel ausgreifen, um mehr Licht aufzufangen, ist die menschliche Kultur seit Jahrtausenden vom Trieb nach Ausweitung und Expansion bestimmt. Keine staatliche Größe ohne imperialen und kolonialen Anspruch. Das zeigen die kolonialen Gründungen der Griechen von Marseille bis zum Schwarzen Meer, die Züge Alexanders bis Baktrien und Indien und die Immensität des Römischen Imperiums.
Die gleichsam lichthungrige Unruhe des menschlichen Geistes mag dämpfen oder gar überwinden, wer den Rat Senecas und Pascals, bei sich zu bleiben, beherzigt oder sich in die Höhlen und hinter die hohen Mauern klösterlich-asketischer Lebensführung in die Stille zurückzieht. Doch in den mystischen Feuern und Glanzvisionen bricht sie wieder auf, mag sie sich auch nur in den Abgrund eines dunklen Lichtes ranken.
Ein gleichsam betäubender Einwand wider die aufgeklärte Torheit, alle Formen des Imperialismus und Kolonialismus zu verdammen, ist der Wein und der dichterische Geist des Dionysos, die sich ohne die welterobernde Unruhe des Römischen Imperiums nicht bis an Rhein und Mosel, Loire und Garonne ausgebreitet hätten.
Wir sehen die Religion der Sonne wie die arische oder japanische im ewigen Streit mit der Religion der Erdmutter und der Nacht, von den griechisch-orientalischen Mysterienkulten bis zum Christentum; freilich bildet die christliche Religion eine einzigartige Synthese, da sich der jüdische Schöpfergott des Lichts und des Worts immer wieder in die stumme Nacht seiner mysteriösen Abwesenheit zurückzieht.
Das dichterische Wort wird unfrei, unschön, mißtönend, wenn sich der Dichter in die Schuldknechtschaft der öffentlichen Meinung oder einer angeblich höheren Moral begibt.
Der hörige Wissenschaftler beweist in einem Gefälligkeitsgutachten, der Pferdefuß des Politikers sei das singuläre Symptom einer neuen höheren Rasse.
Der Perverse bekam das Entreebillet in die Salons der Elite; der ihn als solchen zu bezeichnen wagte, den Normalen steckte man in die geschlossene Psychiatrie.
Der einsame Dichter tritt aus der Hülle der mütterliche Symbiose und dringt bis an den Ausgang der Höhle vor; da erschrickt er angesichts des grellen Lichts. Flieht er panisch vor der großen Sonne und eilt in das Dämmerlicht zurück? Vielleicht, daß ihm Feuchte von Tränen die Gewalt der Strahlung bricht.
Schwermutblaue Stanzen
Wir lauschten noch dem Jubel in der Frühe,
da in die Bläue stiegen Lerchenscharen.
Wir ahnten, daß er sinkend süßer glühe,
Septembermond hoch über fahlen Maaren,
verstanden, was da rauschte, ohne Mühe,
als wir des hohen Stromes Kinder waren.
Gerank auf des Erinnerns zarten Gittern,
fühlst du von wehem Lufthauch es noch zittern?
Wir schnippten Murmeln in lehmgelbe Kuhle,
im grauen Asphalt mußte sie verschwinden.
Die Duft geweht durchs Fenster deiner Schule,
der Wahn hat sie gefällt, die alten Linden.
Wovon du träumtest, wunderfernes Thule,
im Meer der Sehnsucht kannst es nimmer finden.
Umwuchert ragt Erinnerns hohe Mauer,
weht er dich an noch, Efeus dunkler Schauer?
Sonett von der Niedertracht
Wenn dürres Gras, da längst der Quell versiegte,
gespenstisch raschelt unter grauem Wehen,
muß Wortes Knospe duftlos untergehen,
die grüner Wellen tiefes Seufzen wiegte.
Du sagst, es sei die Nemesis des Lebens,
daß die da hoch gestiegen, fallen müssen,
und stummer Bilder Lippen unter Küssen
den süßen Klang zu wecken, sei vergebens.
Nein, Niedertracht hat ausgedörrt die Quellen,
gelockt hat Bosheit auf die stillen Auen
was uns vertieren soll, ein wildes Bellen.
Wahn will das Schatzhaus Räubern anvertrauen,
der Anmut Kinder scheuchen von den Schwellen,
Kot nennen Gold, entmannte Männer Frauen.
Stanzen vor dem hohen Blauen
Wenn sich des Leides Falten jählings glätten,
ein Linnen, das zerwühlt war, wieder spannt,
magst du dich aus dem Trug der Bilder retten,
den Schattenspielen auf getünchter Wand.
Dich fesselten nur Traumes lose Ketten,
ein schmaler Reif entsank der schlaffen Hand.
Das ungetrübte Aug wird ruhig schauen
Gestalten wölken vor dem hohen Blauen.
Sie nichten selber sich, die Angstchimären,
was dir den Atem nahm, der Alb zergeht,
wenn ferne sich des Lebens Linien klären,
was sie verbarg, der Schwermut Schnee verweht.
Die Stimmen, die in deinem Blute gären,
sie winden sich empor zum Dankgebet.
Der Mund, ward ihm der Knebel erst genommen,
mit Sylphen seufzt er, psalmodiert mit Frommen.
Stanzen orphischer Nacht
Ich lag, wie schon von Grabesnacht umfangen,
gewickelt in der Schwermut bleiches Tuch.
Da hörte ich, wie sanfte Geister sangen.
Aus fernem Garten strömte Wohlgeruch,
wie einst, da Hand in Hand wir dort gegangen,
wo Unschuld blüht, noch unversehrt vom Fluch.
Da habe Hauch gefühlt ich, innig-warmen,
als läg die Liebe noch in meinen Armen.
Sein Lied war hell wie Schnee auf mondnen Steinen,
die Erde hat ihm aufgetan den Schoß.
Und Orpheus stieg hinab, zu ihr, der einen,
sie aber schwebte schon erinnerungslos
bei stummer Asphodelen fahlem Scheinen,
ein Tropfen Glanz auf Lethes dunklem Moos.
So fiel sein Blick in eine trunkne Leere,
das Lied erstarb im Rauschen ferner Meere.
Herbstgeruch
Die Bilder leuchten härter,
die Flucht der Linien schmerzt.
Herbes, Unerbittliches
würzt schon die Luft.
Wir sind mit uns allein
und treten wie aus Scheu
nicht auf des Fremden Schatten.
Wie Tau, der zögernd-haltlos tropft
vom Purpurblatt der Reben,
erlischt der Glanz des Worts.
Schon sind Erinnerung
Schaum des Flieders, Schmelz der Rose.
Herbes, Unerbittliches
durchtränkt die Luft.
Gedenke nicht
Gedenk des Schneelichts nicht der Waldkapelle,
ob muschelgleich sie noch die Höhe ziert.
Zerbrochen schweigt das Salve auf der Schwelle,
obszöne Hand hat ihr die Stirn beschmiert.
Wo Weihrauchwolke stieg, dem Geist zu danken,
stinkt nach Urin das Mosaik der Ranken.
Im Beet der Fresken windet sich die Sure,
die nach dem Untergang der Frevler schreit.
Der Jungfrau Mund, geschminkt wie einer Hure,
der Hostien Flocken, in den Kot geschneit.
Gedenke nicht der frühen Lobgesänge,
da Licht brach in der Schwermut dunkle Gänge.
Zum Verständnis:
Sure 9, Vers 5: „Erschlagt die Frevler, wo ihr sie findet.“
Lichtung im Eichenhain
Hier scheint ein lichtes Wesen still zu sinnen
und früh zu glänzen das gezackte Blatt.
Das Dunkel zögert, wurzelhin zu rinnen.
Gemäuer, das Gewalt zerbrochen hat,
einst Apsis einer Quelle, die geleuchtet,
der Isis leises Lächeln überfeuchtet.
Das Wasser gluckst noch zwischen zarten Moosen,
und manchmal kommt ein Reh daher und trinkt.
Hier ist die Stätte für die Heimatlosen,
wenn ihrer Hoheit Wappen Sonne sinkt.
Hier magst du, Dichter, weiche Reime finden,
wenn Seufzer sich um holde Schatten winden.
Rideo quia absurdum
Er wird nie jodeln an der Waterkant,
krachledern stehn am Uferkai: Der Friese
brüllt seine Shantys in die Meeresbrise,
in kurzen Hosen fühlt er sich entmannt.
Säng ihm ihr Lied betörend Loreley,
und schwankte er vom Riesling schon: Dem Märker
knirscht noch im Rausch der Sand der Marken stärker
als Heines und Brentanos leiser Schrei.
Die Schwarze soll sich in ein Dirndl zwängen,
ein Wüstenberber sich den Mönch am Meer
zum Krummdolch seines heißen Ingrimms hängen.
Doch einen deutschen Michel zaust man schwer,
der sich in einen Negerkraal wollt drängen,
und wär sein Herz auch mohrenschwarz wie Teer.
Wer sagt Abendrot
Vor der Schönheit, vor dem Grauen
bricht der Mensch ins Knie.
Wer ist, der nicht schrie,
wenn verharschte Wunden tauen?
Blätter auf des Traumes Schwelle,
Herbst hat sie geweht.
Wer spricht das Gebet,
sinkt dahin das Licht der Quelle?
Duft drang von entsunknen Rosen
ins Verlies der Nacht.
Wer seufzt, jäh erwacht,
wehe uns, den Heimatlosen?
Schlägel führte über Rippen
Meistersänger Tod.
Wer sagt Abendrot,
dem erlosch die Glut der Lippen?
Lerchen und Nachtigallen
Die gleich Lerchen steigen in die Bläue,
Rufe, Stimmen aus den Dämmerauen,
und sich kontrapunktisch wirrend stauen,
schweifen, daß ihr Odem sich erneue.
Manche drängen höher und entschwinden.
Wölken Träume, magst du sie noch zu finden.
Die verborgen sich im Blattwerk wiegen,
süßer Schwermut Nachtigallen singen
in geheimnisvoll getauschten Ringen,
die sich um den Blick der Venus biegen.
Manch ein Schluchzen übermannt die Schwestern.
Birg es, Dichter, in des Reimes Nestern.
Entrückter Liebe Schimmer
Wie hat im Dunkel einst mir dein Lächeln geschimmert,
gleich einer Traube zwischen dämmernden Reben.
In eine Schale soll die goldene Frucht man bald heben,
daß sie nicht wehrlos im harschen Froste verkümmert.
Ich aber mochte den Schimmer nicht pflücken, schweben ihn lassen,
mußte in fahler Mondnacht, im Schneelicht mußte er blassen.
Wie mir dein Wort das Herz, das schlaflos ergraute,
gleich lichten Tropfen, lieblichem Troste der Blumen,
haben sie seufzend erweicht erst die trockenen Krumen,
mit einem Glanz erfrischten Sinnes betaute.
Schlaf ich allein auch im fremd gewordenen Zimmer,
schwebt es herab im Traume mir, Flockengeflimmer.
Für Liana
Der geopferten Unschuld von Friedland
Sinnig lächelnd scheinst du heiter.
Fühlest du den Schatten nicht
huschen über dein Gesicht?
Geh nicht weiter, geh nicht weiter.
Tritt nicht an die Bahnsteigkante.
Blond bist du und jung und schön.
Fühlst du nicht das kalte Wehn,
nicht die Blicke, haßentbrannte?
Blicke, die dich schon zerschneiden,
wie ein Blatt, obszön beschmiert,
die schon wühlen ungerührt
Nacht aus deinen Eingeweiden.
Weißt du nicht von den Hyänen,
die gelockt in Goethes Land
der Bigotten Unverstand,
Meuchler mit sinistren Plänen?
Denn die Faust, die dir im Rücken
sich geballt und es vollstreckt,
hat das Juste Milieu geleckt,
Perversion ist sein Entzücken.
Lust am eignen Untergehen
reißt in Fetzen Wort und Sinn,
und Verblendung neigt sich hin,
in der Bluttat Wahn zu sehen.
Doch die um die Unschuld weinen,
sehn, wie man das Recht hier pflegt:
Ja, der Mörder wird umhegt,
geht im Park auf strammen Beinen.
Geflüster zwischen Tag und Nacht
„Weiter, Lieber, gehn wir nicht,
hier ist mild das Abendlicht.
Laß uns lehnen an die Mauer
unter Efeus weichem Schauer.“
„Wenn die Wolke nicht verhält,
kann sich wohl ein Mond noch ründen,
blasser Glanz der Knospe künden,
daß entronnen wir der Welt.“
„Mag der Blume Aug sich feuchten,
wird sie ja umsonst nicht weinen,
mit den Schwestern sich vereinen,
die auf Eos Händen leuchten.“
„Liebe, fühl den Augenblick,
dem die Lider schon ermüden.
Leise spricht das scheue Glück,
Nacht nur bringe ihm den Frieden.“
„Daß Wachträume um uns wallen,
singt der Quelle dunkler Mund,
strömt aus tiefem Himmelsgrund
hoher Ton von Lichtkristallen.“
Reden und verstummen
„Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern daß sie ist.“
Ludwig Wittgenstein
Leicht reden ist von sanften Übergängen,
wenn in der Sanduhr Korn um Korn verrinnt
die Spinne wie im Schlaf den Faden spinnt,
am Abend sich allmählich Schatten längen.
So reihen Perlen wir zur schönen Kette,
und rhythmisch wogt der Vers im Metrenbette.
Die jähen Wechsel aber, tiefe Schnitte,
wenn ein Gestirn aus dunklem Abgrund blitzt,
den Erdschoß Reis, den Faden Moira ritzt,
da graut dem Geist, daß er in Schründe glitte.
So stehen stumm wir vor des Daseins Fülle,
und Widersinn zerreißt des Sinnes Hülle.
Näher als das Blut
Wo noch ein Licht im Dämmerlaube flirrt,
auf Schiefertrümmern einer Weinbergsmauer,
bist du der Schatten oder jener Schauer,
wenn durch den Schatten eine Taube schwirrt?
Tönt nicht kristallen-hell dein Lachen fern,
wenn an das Glas des Himmels Flügel schlagen,
will mir der dunkle Glanz des Wassers sagen,
du seiest längst entrückt, ein stiller Stern?
Nein, nah bist du, mir näher als das warme
Blut, wenn die Ader ihm, die nächtige, schwillt.
Des Mondes Strahlen sind wie deine Arme,
hat mir die Feuchte schon den Blick verhüllt.
Ein süßer Quell fließt du dem bittern Harme,
wenn aus der Schale Herz ein Leuchten quillt.
Aus dem Abgrund Rauschen
Ich habe nichts als Rauschen
Rudolf Borchardt
Wir sollen von der Frucht der Erde leben,
aus Samen, die wir dankbar bloß empfingen,
die dunkler Regung hold ins Helle dringen,
das Saatgut würdigen Erben weitergeben.
Der hohe Umschwung möge uns begeisten,
das Spiel des Lichtes mit beredten Schatten,
bis wir im Sonnenuntergang ermatten
und Träume kehren, die zu Göttern reisten.
Nachts wollen wir dem Sang des Wassers lauschen,
das geisterhaft ein bleicher Mond bescheint,
die harte Münze Wort mit Tränen tauschen,
die Eingedenken fernen Seelen weint.
Quillt aus dem Abgrund uns ein mildes Rauschen,
verstehen wir, was Dichtermund gemeint.
Im Aschenkreis
Das Holz des Heils riß auf nur unsre Leere.
Es ward gefällt, verbrannt. Und Funken sprangen
aus weißer Glut. Doch keine Engel sangen,
daß sie die Angst der dunklen Welt verzehre.
Wir standen auf dem Berg im Aschenkreis
und sahen ringsum auf die öde Steppe.
Die Sonne schleifte ihre Purpurschleppe
durch schwarzen Sand und weißen Knochengneis.
Und ewig über Babels Wassern weht
den Schrei von Golgotha der Wind ins Nichts,
wo nimmer tote Liebe aufersteht.
Fiel in das Dunkel auch ein Tropfen Lichts,
als hätte banger Seele Durst gefleht,
er dräng nicht durch die Maske des Gesichts.
Wie traurig sinnlos atmen
Luft atmen, sinnlos lebenslang, wie trist.
Luft ohne Geist kann keine Seele nähren.
Mag deine auch vom Duft der Rosen zehren,
im Süßen wittert schon Gestank von Mist.
Wie öd ist eigner Rede Widerklang
aus eines fremden Nächsten hohlem Munde,
wie monoton pocht immerzu die Wunde,
wie schwankend allen Fühlens Abschiedsgang.
Ist wahr, ist Wahn, was die Erwählten künden,
daß hoher Geist die Seele eingeblasen,
den Odem hat verdunkelt Dunst von Sünden?
Wie konnte leicht auf Hellas’ schönen Vasen
in Gesten ohne Schwere Anmut münden,
wie weckte Hauch, was wir bei Pindar lasen?
Jacqueline du Pré
Wie sich Wasser kräuselt und die Welle
schluchzend in die Schwesterwelle bricht,
gabst dem Fühlen du, das dämmert, Licht,
Funken schäumend eine Bachforelle.
Daß wir deiner sehnsuchtsvoll gedenken,
wenn sich Nebel auf die Wasser senken.
Gleich der Nachtviole, die dem bangen
Herzen süße Schimmer vorgesandt,
daß es aus dem Dunkel heimwärts fand,
bist du Knospe bebend aufgegangen.
Früh am harten Strahl ist sie verblichen.
Keine hat noch ihrem Schmelz geglichen.
Siehe:
https://www.youtube.com/watch?v=CwFeshwZPUA&list=RDCwFeshwZPUA&start_radio=1
https://www.youtube.com/watch?v=qokpAPozdkA&list=RDReZeyI8Z5wk&index=3
Sternbild meiner Nacht
Hat in des Dämmerlaubes weichem Bangen
die Abendsonne Glanz noch aufgewühlt?
Des Sommers Knospen waren längst verglüht,
fern gingen Ströme, die schon nachtwärts sangen.
Im braunen Helmbusch deines Haares glommen
noch süße Funken, Flimmerkäfern gleich,
und deine Hand lag in der meinen weich,
zu fühlen, ob ihr Pulsen ich vernommen.
Was unsre Lippen wie im Traume hauchten?
Nicht Worte mehr, erstickte Rufe, wehe,
die aus verfallener Brunnen Tiefe tauchten,
als riefe Herz dem Herzen: „O vergehe!“
Nun fleh mit kalten Worten ich, verbrauchten,
daß sich dein Sternbild um mein Dunkel drehe.
Nachtumsponnen
Kaum bist du tiefer in den Wald gedrungen,
hat unversehens dich ein Dorn geritzt.
Im Wipfelzwielicht ist ein Lied erklungen
und Abendsonne hat durchs Laub geblitzt.
Die zarte Wunde hat sich bald geschlossen,
doch scheint ins Herzgeflecht ein Gift geflossen.
Was sie im Halbschlaf dir noch zugeflüstert,
erglänzte wie der Tau auf schwankem Blatt.
Vom Schatten müder Wimpern überdüstert,
ward ihres Auges Feuchte jählings matt.
Ein Tropfen Lichtes war herabgeronnen,
die Nacht hat ihr Gespinst ums Wort gesponnen.
Deutsche islamische Republik 2090
Deutsche Schulen wurden zu Medressen,
zu Moscheen Kirchen, Kathedralen.
Schuberts Schwanensänge sind vergessen,
wenn Muezzin-Rufe gellend prahlen.
Goethes Divan darf kein Herz erhellen,
ließ ins Paradies ein Hündlein schnellen.
Zwischen Alpenalm und Meeresküste
muß verdunkelt Frauenanmut schleichen.
Schnee der Lenden, Rubens Knospenbrüste
mußten Suren-Ornamenten weichen.
Keiner darf vom Wein der Verse kosten,
die an Mosel, Rhein und Nahe sproßten.
Doch sind graue Gettos, blumenlose,
noch behaust von blonden Indigenen.
Einem Dichter, träumend von der Rose,
fehlt der Duft des Wortes für sein Sehnen.
Was nur hat geblüht, in welchem Glanze
welchen Glücks? Vertrocknet ist die Pflanze.
Zum Verständnis:
Johann Wolfgang von Goethe, West-östlicher Divan, Buch des Paradieses, Gute Nacht (Ende):
Wo das Schöne, stets das Neue,
Immer wächst nach allen Seiten,
Daß die Unzahl sich erfreue.
Ja, das Hündlein gar, das treue,
Darf die Herren hinbegleiten.
Das kleine Leben
Das kleine Leben muß ins Gras sich ducken,
und immer fühlt das zarte Herz ein Bangen,
daß noch der böse Feind es werde fangen
und unter seinen Krallen wird es zucken.
Als würden uns Dämonen stets umlauern,
verschleiern wir den Blick, errichten Mauern.
Es schneit. Da seufzt am Tor der Fuchs, der schlaue,
die Hühnchen mögen öffnen ihm, er werde
das Fell nur trocknen, sitzend still beim Herde.
Gerührt schließt auf ein Huhn, schon spürt’s die Klaue.
Uns predigen, die ihre Heimat hassen,
daß Tür und Tor wie allen offen lassen.
Tropfen aus dem Kelch des Lebens
Wo nichts mehr sich verbirgt, im feuchten Glanz
von Augen, Abendteichen grüner Stille,
ist es, als ob das Leben einwärts quille,
in Tränen löse auf sich die Substanz.
Und keine Wimper wird mich länger halten,
zu sinken hin in samtenen Schlafes Falten.
Wo nichts mehr sich verschweigt, im blauen Ton
von Liedern, in verklärter Nacht gesungen,
ist es, als sei die Schale Herz zersprungen,
Tau perle über purpurdunklen Mohn.
Nur meine Zunge hat gelechzt vergebens
nach süßen Tropfen aus dem Kelch des Lebens.
Von Walthers Linde bis zu Trakls Weide
Verdunkelt hat der Wildwuchs fremder Keime
der heimatlichen Blüten sanfte Pracht.
Vor der Barbaren Tamtam in der Nacht
floh ins Verlies die Schar der scheuen Reime.
Vergiftet hat der Pesthauch fauler Zungen
das edle Blut, das hell im Vers geschäumt,
umsonst hat röchelnd er sich aufgebäumt,
da ihn die Vettel Unzucht ausgewrungen.
Von Walthers Linde bis zu Trakls Weide
schlang sich der Dichterpfad, bis vor die Mauer
mit ihrem ausgerauschten Efeukleide.
Dort träumt der deutsche Vers, erstarrt vor Trauer,
wie ihm ein Blitz das Angstgeflecht zerschneide,
zum Glanz Homers ihn trägt ein dunkler Schauer.
Staub der Sprache
Was aus der Dunkelheit hervorgequollen,
hat schimmernd uns den öden Karst genetzt,
das Wort. Und es versickerte. Zuletzt
ging, was dank ihm ins Licht gedrängt, verschollen.
Umsonst, den Staub der Sprache aufzuwühlen,
ertaubter Sinn kann Wahres nicht mehr fühlen.
Hoch mußt du zwischen kahlen Felsen steigen,
wo kaum noch Moos erweicht die harsche Bahn,
das edle Blau zu finden, Enzian,
die leere Fülle im entrückten Schweigen.
Die Blüte sollst du ungebrochen lassen,
sie würde dir beim Abstieg bald erblassen.
Im Schilf des Schlafs gehört
Strahl, der ins Dunkel der Pupille dringt,
und grelle Bilder, die uns blinde Nerven malen,
sie rinnen hin wie Tau in Blumenschalen,
wie Brunnenwasser, das im Traume singt.
Ein Flüstern, fern im Schilf des Schlafs gehört,
von Worten, die wie blasse Gaze wehen,
läßt uns Gespinste, märchenzarte, sehen,
von süßen Rätseln scheint das Herz betört.
Hüllt uns der Violine warmes Drängen
den Abschied noch in goldnes Abendrot?
Mag tragen uns aus grauen Rauschens Engen
des Sichelmondes stilles Silberboot?
Verheißen nicht die Schatten, die sich längen,
das Laub des Dämmers, einen sanften Tod?
Bemerkungen zur Sprache
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Alle Glieder und Organe des menschlichen Körpers haben ihren Namen. Wir sprechen nicht nur von Fuß, Bein, Knie, Bauch, Arm, Hand und Kopf, sondern bei der Hand von den Fingern und wieder von Daumen, Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinem Finger, Handballen und Handwurzel; nicht nur vom Kopf, sondern von Stirn, Wangen, Mund, Lippen, Augen; und wieder nicht nur vom Auge, sondern von Lidern, Wimpern, Augapfel, Iris und Pupille.
Allerdings genügen dem Chirurgen unsere gleichsam naturhaft gewachsenen Alltagsbenennungen nicht, um seine minutiösen Schnitte zwischen Adern und Nerven zu machen; hier bedarf er der Erweiterung der medizinischen Fachterminologie, die sich mittels immer neu verfeinerter Beobachtung entfaltet hat.
Es ist ein Unterschied, ob ich sage „Er gab mir die Hand“ oder „Er ließ mich seine Pranke spüren“. – In beiden Fällen liegt semantisch das zugrunde, was wir das Bedeutungsradikal <Hand> nennen können; an der Fülle der Variationen ermessen wir den sprachlichen Reichtum semantischer Nuancen: Hand, Pranke, Tatze, Pfote, Faust, Händchen, Pfötchen, Fäustchen.
Pranke ist eine schlichte Benennung, wenn es sich um einen Löwen handelt, auf Menschen gemünzt, ist es eine metaphorische Zuspitzung, die eine humoristische Note oder satirische Übertreibung leisten mag.
Die Hand eröffnet uns das weite, unübersichtliche Bedeutungsfeld des Handelns und der Handlung, in dem wir uns vor philosophischen Fallstricken zu hüten haben.
Wir sprechen von Handzeichen und meinen damit, daß eine mit der Hand ausgeführte Geste und Bewegung nach einem bekannten Zeichencode erfolgt, so daß die Geste von jenem, dem sie gilt, ohne weiteres decodiert werden kann. Der Code kann gleichsam natürlich aus der Alltagskommunikation erwachsen (herbeiwinken, zum Abschied winken) oder bereichsspezifisch konventionalisiert worden sein (die Handzeichen des Dirigenten, die mit einem Stab in der Rechten verstärkt werden).
Das meiste, was wir tun, bedarf der mit Hilfe von Greifen, Nehmen, Geben tätigen Hand. Wir handeln mit der Hand, so wie wir mit den Agen sehen.
Einer bewegt die Figur der Königin auf dem Schachbrett; damit verfolgt er die Absicht, dem Gegner Schach zu bieten. – Hat er den Bauern geschlagen und Schach geboten, sprechen wir von der Tatsache, daß sein Spielzug erfolgreich war und seine Absicht oder der Handlungszweck erfüllt wurde.
Freilich, wir können Schach zu spielen träumen oder davon, den verstorbenen Freund zu sehen. – Doch scheuen wir davor zurück, dies im eigentlichen Sinne Schach spielen oder sehen zu nennen.
Allerdings dürfen wir, was wir mit handeln und Handlung meinen, nicht auf den Begriff eines absichtlichen Tuns einengen; denn vieles tun wir gleichsam routiniert, ohne mit jedem Handlungsschritt eine bewußte Absicht zu verbinden; Fahrrad fahren etwa, aber auch reden.
Unterhalten wir uns oder plaudern, schlagen wir nicht unentwegt gleichsam in einem unsichtbaren Wörterbuch nach, um das jeweils passende Wort oder eine besseres Synonym zu finden, wir bilden nicht im Geiste einen Satz in der Absicht, ihn hernach lautlich zum Ausdruck zu bringen, sondern formulieren die Aussage beim Reden.
„Wer handelt, wer spricht?“ – Metaphysik legt uns Fallstricke im Bedeutungsfeld der sprachlichen Kommunikation mittels vertrackter, in Aporien führender Fragestellungen aus.
Mein Freund Peter liest, was ich ihm geschrieben habe. Er sieht es leibhaftig mit seinen leibhaftigen Augen vor sich. Aber ist diejenige Instanz, die liest und lesend versteht oder nicht versteht, sein unsichtbarer Geist oder sein Gehirn? – Es ist Peter, der liest, und diese Auskunft muß uns genügen.
Sind Peters Augen aber nicht gleichsam Instrumente, mit denen er die Handlung des Lesens ausführt, so wie der Handwerker mit den Händen das Werkstück bearbeitet?
Freilich, Peter kann, um eine Sehschwäche auszugleichen, eine Brille aufsetzen, wie der Handwerker einen Hammer zur Hand nehmen kann, um seinem Zweck Nachdruck zu verleihen. Aber Peter kann nur lesen und lesend verstehen, was ich ihm geschrieben habe, weil er lesen gelernt hat. Und er kann nur verstehen, was er liest, weil er Bedeutungen und Bedeutungseinheiten zu identifizieren gelernt hat; zum Beispiel die Bedeutungseinheit einer Frage anhand der Wortstellung und des Fragezeichens.
Doch wird mein Freund mit den rhetorischen Fragen „Stammt nicht auch das krumme Holz Kants aus dem großen Wald der Natur?“ oder „War nicht der Wicht Napoleon eine historische Größe?“ überfordert sein, wenn er nicht zwischen echten und rhetorischen Fragen, zwischen aufrichtigen und ironischen Aussagen zu unterscheiden gelernt hat.
Nachdem Ödipus das grauenhafte Rätsel seiner Herkunft herausgefunden hat, blendet er sich am Ende der Tragödie des Sophokles; aber der Schauspieler tut dies nicht wirklich, sondern nur scheinbar; die Handlung ist eine Scheinhandlung, denn sie spielt im fiktiven Rahmen eines theatralischen Spiels.
Wir tun nicht gut daran, unser alltägliches Reden und Handeln in Anführungszeichen zu setzen und indem wir es sozialen Rollen und ihren Funktionsträgern zuweisen, gleichsam zu theatralisieren; denn damit nehmen wir ihm den Ernst. – Die echte Mutter spielt nicht Mutter und der Moribunde spielt nicht den Sterbenden.
Es ist daher angemessener, statt von Sprechakten von Sprachhandlungen zu reden; der Anklang an Rollenspiele und theatralisch-fiktive Akte ist verfänglich.
Die Chorlyrik der antiken Tragödie hat viele Anklänge an jene kultischen Gesänge, die ihren Ursprung im Kult des Dionysos verraten. – Doch sollen wir etlichen hebräischen Psalmen wegen ihres Kunstcharakters den echten Rang von Gebeten absprechen?
Wie können wir zwischen dem künstlichen Schnee auf den Gipfeln der Hymnen Hölderlins und den schmerzlich blendenden Kristallen echter Frömmigkeit unterscheiden?
Nur doktrinäre Narren wähnen, die Sprache könnte über den konventionellen Zuwachs des Wörterbuchs hinaus in ihren grammatischen Tiefenstrukturen willkürlich nach eigenem Gusto und Ermessen verändert werden, ohne daß der Sprachgeist empfindlichen Schaden davontrüge.
So kommt die Gendermanie des hypermoralisch kastrierten unzüchtigen Gewäschs dazu, statt von Studenten von Studierenden, statt von Wissenschaftlern von Wissenschaffenden zu schwadronieren, zu dumm, um zu begreifen, daß auch schlafende Studenten Studenten bleiben, nicht aber schlafende Studierende, daß eine wesentliche Leistung des Wissenschaftlers darin besteht, vorgebliches Wissen als Scheinwissen zu entlarven.
Nur der ideologisch fanatisierte Narr glaubt, mit Ausdrücken wie Lehrer, Zuhörer, Fahrer oder Kenner seien nur Männer gemeint. Als erklängen nur tiefe Stimmen, wenn der Sängerkreis zusammenkommt.
Selbst das medial aufgehübschte Lyrikwunderfräulein spricht heute von Autoren und Autorinnen, Lesern und Leserinnen.
Der Mohr von Venedig muß heute eine Maske tragen – über der Maske seiner Rolle.
Der neue ideologische Puritanismus stört sich an der Nacktheit der Venus, aber nicht an der obszönen Entblößung seiner pervertierten Sprache, vom Exhibitionismus jener, die sie nackt in Lederriemen geschnürt festtäglich hinauskrakeelen, zu schweigen.
Sie haben keine sprachliche Schöpfung vollbracht, das Sprachcliché und die Phrase genügen, um sich selbst ins Scheinwerferlicht zu rücken und den wahrhaft Schöpferischen in den Schatten des Parias.
Muß ich, weil jene, die den Genozid am jüdischen Volk zu verantworten hatten, die ethnische Relevanz des Volksbegriffs voraussetzten, nunmehr der kulturell zerstörerischen Auflösung und Vermischung aller Völker und Nationen das Wort reden? Wäre dies Ausdruck eines trügerischen Schuldempfindens oder schlicht logische Dummheit?
Ich bin nicht geneigt, halbrohes Fleisch zu verschlingen, weil der Führer es verschmähte, auch nicht, um das barbarische Gebrüll des Klumpfußes zu vermeiden, pseudolyrisch zu röcheln.
Muß ich einzig ungegenständlicher Kunst huldigen, weil die Falschen die gegenständliche zum Fetisch erhoben?
Soll ich, um dem Verdacht metaphorisch gesüßter Verse zu entgehen, nur saure poetische Trauben anbieten?
Scheinleben ohne Kontakt mit den tragischen Mächten des Daseins in sekundären Institutionen und kulturellen Blasen wie Hochschulen, Parteien und Parlamenten kompensiert seine Erfahrungsarmut in Sekundärsprachen inzestuöser Abkunft wie dem Genderkauderwelsch oder den hysterischen Litaneien der Klimareligion.
Wieso bestehen Antirassisten darauf, die öffentlichen Bildschirme mit immer mehr Angehörigen einer bestimmten Rasse, der schwarzen, zu bevölkern?
Wenn es zum Schwur kommt, im Verteidigungs- und Kriegsfalle, lassen jene, die sie nur locker angelegt haben, die Maske der Integration bald sinken.
Was kann es unter Angehörigen konfligierender Kulturkreise Pazifizierenderes geben als die Trennung von Tisch und Bett, alias Apartheid?
Wie der Fall Arminius zeigt, ist es bisweilen ein Zeichen machtpolitischer Kurzsichtigkeit, den Kulturfremden die eigene Sprache lernen und in die Arcana der Herrschaft eindringen zu lassen.
Muß ich die Ilias Homers und die Gedichte Pindars auf den Müll werfen, weil sie Angehörige einer imperialen Welt waren, die Pflanzstädte und Kolonien rund um das Mittelmeer bis ins heutige Rumänien, Nordafrika und Asien gründete? Von der Literatur der Römer, die ganz Europa kolonialisierten und uns zum kulturellen Nährboden machten, zu schweigen.
Klassische Schriftsteller wie Herder, Kant, Hamann und Goethe, die sich wie die antiken Historiker Herodot oder Tacitus des kulturellen Unterschieds der Völker und Ethnien bewußt waren, werden nach und nach zensiert. Wann werden ihre Denkmäler verhüllt oder abgetragen, die nach ihnen benannten Straßen umbenannt?
Was wir Norm nennen, können wir an der normativen Struktur der Sprache ablesen. So muß ich etwa, um das Denkbare dem Faktischen gegenüberzustellen, die sprachlich korrekten Formen des Irrealis bilden können: Würden wir hier einen Durchgang schaffen, dürfte sich der zeitlich-energetische Aufwand zur Bewältigung der Strecke halbieren.
Normal aber nennen wir, was das biologische und soziale Leben sichert, auf Dauer stellt und so lange währt wie möglich: Die monogame Familie ist die Norm des Gemeinschaftsleben, nicht weil es rechtgläubige Fanatiker ihren Schriften entnehmen, sondern weil die Nachkommenschaft nur mittels der Vereinigung geschlechtlich polarer Gameten, sprich von Mann und Frau, gesichert wird und im besten Falle wohlbehütet aufwächst und mit dem erforderlichen Können und Wissen (wie der Sprache) versorgt wird; und weil das soziale Leben mit seinen Versorgungseinrichtungen nur durch die geregelte Abfolge der Generationen auf Dauer gestellt werden kann.
Norm der Sprache ist die Verständlichkeit, das heißt die möglichst eindeutige und unmißverständliche Übermittlung von Tatsachen, Wünschen, Fragen, Erwartungen und Erinnerungen mittels ökonomisch eingesetzter lautlicher Mittel; normal, was wir als angemessene Mittel zur Erlangung der uns vorgegebenen objektiven Zwecke des sozialen Lebens, wie beispielsweise seinen Erhalt mittels Nachkommenschaft, akzeptieren.
Wir erkennen und ermessen die Kraft der Normen an den Sanktionen, mit denen sie bewehrt sind, oder den fatalen Folgen, die ihre Übertretung nach sich ziehen, Wer aufgrund einer neurologischen Erkrankung unverständlich redet, kommt ohne Hilfe im Leben nicht mehr zurecht; wenn mehr und mehr ihrer Verächter die Institution der auf Nachkommenschaft zielenden Ehe diskreditieren, ist die Gemeinschaft auf Dauer vom Aussterben bedroht.
Am Leidenspflock
Daß nichts dich deiner selbst entreißt, hast fest
gebunden du am Leidenspflock die Seele.
Du ahntest nicht, daß sie die Nacht dir stehle,
sie zehre ab der Schwermut schwarze Pest.
Was jugendlich gelächelt, Anmut schwand,
es blaßten hin der Heimat goldne Triften,
verwischt wie unter Palimpsesten Schriften
sind alle Chiffren, die dein Geist erfand.
Es blieben dir nur schwachen Odems Worte,
die späten Rosen, die sich müde neigen
an üppig einst umrankter Gartenpforte.
Ihr Duft verweht ins abendliche Schweigen.
Wenn auch der letzten Knospe Schmelz verdorrte,
verstummt dein Herz und Geisterstimmen steigen.
Auch du erhellst die Nacht
Willst du, was schön und edel ist, erfahren,
steh still und schau der Charis hohen Gang,
lausch Stimmen, zart gefügt im Widerklang,
die sich ihr Licht im Zwielicht rein bewahren.
Und steigst empor du auf Gesanges Stufen,
siehst du, wie auf den Abgrund Glänzen schwebt,
vor Schauern heitern Lebens Knospe bebt,
wenn „Tu dich auf“ ihr sanfte Strahlen rufen.
Dir schwindelt nicht, mag nur der Klang dich tragen,
Zweig unter den Geschwistern eines Baums,
die windgewirbelt ja zu Schimmern sagen.
Und bist du bloß das Flimmern eines Flaums,
ein leiser Reim, wenn Hymnenflügel schlagen,
auch du erhellst die Nacht des stummen Raums.
Inspiriert durch:
https://www.youtube.com/watch?v=N6sUlZa-IrU&list=RDN6sUlZa-IrU&start_radio=1
Auch eine Einladung zur Reise
Une autre Invitation au Voyage
„Hörst du das Schluchzen nicht aus dunklem Grunde,
auf totem Teer verdorrten Blattes Scharren?
Willst du ein Schatten unter Schatten harren,
weit gehen noch zu dieser späten Stunde?“
„Der Heimat Sänge sind verstummt, die frommen.
Ich stehe, doch will in die Tiefe fallen.
Ich rede, doch wie Somnambule lallen.
Der Heimat süße Lichter, sie verglommen.“
„Zum nahen Strom, Freund, will ich dich geleiten,
dort ist ein Kahn, ein Fährmann, altersgrau,
er kennt das Ufer, wo sich Blumen breiten.“
„Dein Wort kühlt meinen Schmerz wie Abendtau.
Ich fühle schon, wie sich die Engen weiten,
ich sehe schon der Knospen Orphisch-Blau.“
Schimmer und Staub
Wer sah den Wagen mit der goldnen Scheibe,
als erster auch das Pferd, das mit ihr schwebt,
wie sich ein Schimmer aus der Urnacht hebt,
daß uns ein Tag zu Saat und Sange bleibe?
Wer sah zuerst das Licht im Dämmerhaine,
die Göttin, wie sie segnend in die Flur
mit mildem Lächeln zu Entrückten fuhr,
wie sie entschwand in Teiches grünem Schreine?
Noch kleben am Kristall des Lichtes Krumen
der Erdnacht, und ein bittrer Tropfen rinnt
dir, Dichter, an des Liedes zarten Blumen,
wenn deiner Schwermut Dämmerung beginnt,
verdunkelnd selbst das Wort von Christi Lumen.
Siehst du zuletzt Staub wirbeln Wüstenwind?
Zur Veranschaulichung:
Sonnenwagen von Trundholm: http://www.jenseits-des-horizonts.de/wp-content/uploads/2012/07/8.8.Sonnenwagen-600×428.jpg
Die altgermanische Göttin Nerthus: Tacitus, Germania, Kap. 40
Die gestutzten Krallen
Dies Volk ward geistig matt und flügellahm,
das einmal sich den Adler auserkoren
zum Bild, daß es zu hohem Flug geboren.
Gestutzt die Krallen hat ein Scheusal zahm
in ihren Käfig die Moral gesteckt.
Da döst er unterm Lappen greller Streifen.
Wie faule Keime, die zur Frucht nicht reifen,
sind Völker, die der Ahnen Schatten schreckt.
Was bleibt, sind auf zerbrochenen Steinen Moose,
auf Namen wuchernd, die wir einst verehrt.
Doch der emporgereckt die Purpurrose,
den Hochsinn hat der wüste Geist verzehrt.
Volk, taumelnd in die Nacht, ins Namenlose –
schweig, Dichter, daß nicht Schmach dein Wort versehrt.
Aus den Liedern der Verheißung
Sacht rührt er an die Lade wie im Traum,
Granatfrucht baumelt an des Priesters Saum,
gefüllt mit des Gesetzes dunklen Kernen,
zu sprießen auf dereinst dem Volk zum Baum
mit abertausend roten Blütensternen.
Daß es in seinem Rauschen Eden fühle,
sein Schatten ihm den Brand der Wüste kühle.
Wenn der verbrannten Erde Rinde springt
und aus dem Karste wieder Feuchte dringt,
wird fliehen aus den dumpfen Schmerzverliesen
die Schar der Treuen, und vom Tau beschwingt,
erquickt sie feuchter Glanz der Sonnenwiesen.
Daß uns der Herbst nach panisch-stummen Schrecken
noch gebe, des Gesanges Wein zu schmecken.
Zur Vertiefung siehe auch: 2 Mose 28, 33 f.
Gottes verlassener Garten
Und Gott durchwandelte den schönen Garten,
und sah, was er gepflanzt, war schon verblüht.
Bald wandte er sich ab, des Anblicks müd,
hoch stob das Laub, da goldne Schuhe knarrten.
Er ging, ins trunkne Einerlei zu lauschen
an öder Küste ewig-grauem Rauschen.
Hast Blüten, lichte Kränze, du gewunden,
sie auf des Traumes Schwelle uns gelegt,
hat Nachtwind jählings sie hinweggefegt,
der Blume Wort, der Duft blieb unempfunden.
So sah ich, Dichter, dich mit Schatten spielen,
die kaum gebannt, im Herzen schon zerfielen.
Als Schwermut liegenblieb
„Freund, wir wollen weiterwandern.
Die Sonne steigt, die Luft ist lau.
Der Sehnsucht Pfade, sie mäandern
an hohen Stroms umschilftem Blau.“
„Ich bin zu müd für Pilgergänge,
mein Herz litt einen tiefen Sprung.
Die fernhin locken, Lichtgesänge,
hat mir verdüstert Dämmerung.“
„Vielleicht, daß wir ein Heilkraut finden,
das deine Wunde, Lieber, heilt,
wo sanfte Musen Blumen winden
und still der Geist der Liebe weilt.“
„Ach, laßt mich, Freunde, hier nur liegen.
wo weich das Moos, die Schatten mild.
Ins Dunkel soll mich Rauschen wiegen,
das fern mir wie aus Eden quillt.“
Die fremde Last des Lebens
Wer ihn auch wirft, der Schatten weiß es nicht.
So tragen wir die fremde Last des Lebens.
Das Grübeln müden Geistes ist vergebens,
ob Dunkel uns gezeugt hat oder Licht.
Kein Innen ist, kein Außen, das uns hält.
So kommt und geht des Lächelns sanfte Welle,
legt Hauch uns Blüten auf des Traumes Schwelle,
weht weher Duft von Versen ferne Welt.
Von Flammen einer dunklen Glut entfacht,
sind wir wie Kerzen, die sich selbst verzehren.
Verwaiste irren wir in Götternacht,
kein Seher ist, den rechten Weg zu lehren.
Ein bittrer Rauch steigt aus der Seele Schacht,
Gewölk von Psalmen, die nicht wiederkehren.
Im Liebesdunkel
Wie im Liebesdunkel Käfer sprühen,
Früchte sanft im Dämmerlaub erglühen,
sind die Verse schwermutsüßer Nacht.
Kühle Gluten hat der Mond entfacht
Versen, die nur in den Nächten blühen.
Mag auch Eos ihre Rosen streuen,
Glocken wecken, die am Licht sich freuen,
ist Selene erst hinabgeblaßt,
Sonne wird, weil Schwermut ihr verhaßt,
Dichter, deinen Vers nicht mehr erneuen.
Neueste Einträge
Kategorien
- Auswahl älterer Gedichte
- Gedichte
- Gedichte in Prosa
- Gedichte und poetische Texte über Frankfurt am Main
- Gedichte und poetische Texte über Koblenz, Koblenz-Metternich, die Eifel und den Rhein
- Gedichte zur Zeit
- Komische und groteske Gedichte
- Liebesgedichte
- Lyrisch-philosophisches Spiel
- Lyrische Gedichte
- Philosophische Essays
- Philosophische Gedichte
- Philosophische Sentenzen und Aphorismen
- Poetologische Gedichte
- Prosa
- Radiofeature und TV-Dokumentation
- Religiöse Gedichte
- Sonette
- Übersetzungen und Nachdichtungen
- Wittgenstein-Sonette