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Im Totenreich

25.01.2022

Das Dorf der Kindheit lag im Totenreich,
ich ging die alten Gassen hin und wider,
als wäre Gehen eines Schattens Wanken.
Der Vorzeit-Linde volle Krone, einst
ein Spender feiner Würze, warmen Rauschens,
Geschwulst aus nassem Nebel, schmutzig-braun,
der Sonne grünes Fruchtgemach verkommen.
Und alles stumm, kein Widerhall von Schritten,
als könnte eines Schattens Huschen hallen,
kein Hahnenschrei, denn keine Frühe flammte,
kein Brüllen einer Kuh, es schwoll kein Euter,
kein Lamm, das blökte, und kein Hirt, der sang,
kein Vogelruf, die Nester waren leer,
und keine Glocke pries, es war kein Heil.
Und keines Lebens Odem hat die Stille
behaucht mit Seufzen, und kein Angesicht,
dem sich die Lider aufgetan zum Gruß
des süßen Lichts, es blüht hier trügerisch
den Nächten nur die Asphodele Mond.
Und war kein Fenster, wo ein Schimmern
getreue Hand dem Honigschmelz entfacht,
die Stiege dem Verlorenen zu weisen.
An den basaltenen Wänden rannen Tränen,
wie Onyx schwarz und purpurn wie Rubin.
Am Haus der Ahnen war ein Brandmal düster
das bunte Fresko von des Meisters Hand,
und statt der Huld der Himmelskönigin,
der einer Flora gleich der blaue Mantel
geflattert über schlichten Bauernkörben
voll Ähren, Trauben, Kirschen, gelben Birnen,
hat dort ein Dämon schwarze Lederflügel
mit Krallen einer Fledermaus gehüllt
um einen Berg von Aas und bleichen Knochen.
Ich bog den alten Weg ums Kirchenschiff,
o Wrack an unbewohnten Eilands Ufer,
und sah den Hund des Küsters, dem ich oft
das krause Fell mit meinem Kamm geglättet,
da lag er reglos auf der Schwelle, freudig
kam ich ihm nah, ob er mich noch erkenne,
doch hob er nicht den Kopf, hat nicht gewedelt,
und als ich kindisch-blind nach ihm getastet,
griff ich ins Leere und das Bild zerfiel.

 

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