Skip to content

Rabindranath Tagore, The Crescent Moon, Der Sichelmond XXIV-XXVI

19.10.2018

XXIV Vocation

When the gongsounds ten in the morning and I walk to school by our lane,
Every day I meet the hawker crying, ‘Bangles, crystal bangles!’
There is nothing to hurry him on, there is no road he must take, no place he must go to, no time when he must come home.
I wish I were a hawker, spending my day in the road, crying, ‘Bangles, crystal bangles!’
When at four in the afternoon I come back from the school,
I can see through the gate of that house the gardener digging the ground.
He does what he likes with his spade, he soils his clothes with dust, nobody takes him to task if he gets baked in the sun or gets wet.
I wish I were a gardener digging away at the garden with nobody to stop me from digging.
Just as it gets dark in the evening and my mother sends me to bed,
I can see through my open window the watchman walking up and down.
The lane is dark and lonely, and the street-lamp stands like a giant with one red eye in its head.
The watchman swings his lantern and walks with his shadow at his side, and never once goes to bed in his life.
I wish I were a watchman walking the streets all night, chasing the shadows with my lantern.

 

XXIV Beruf

Wenn der Gong am Morgen zehn Schläge tut und ich mich auf den Weg zur Schule mache,
höre ich täglich die Rufe des Straßenhändlers: „Armreifen, Armreifen aus Kristall!“
Er muß sich nicht hetzen, keine langen Wege gehen, kein Ziel erreichen, es spielt keine Rolle, wann er nach Hause kommt.
Ich wäre gern ein Straßenhändler und wäre den ganzen Tag unterwegs und riefe: „Armreifen, Armreifen aus Kristall!“
Wenn ich um vier Uhr nachmittags von der Schule heimkomme,
kann ich durch das Tor jenes Hauses den Gärtner sehen, wie er Erde aushebt.
Er tut, was er mag, mit seinem Spaten, er beschmutzt seine Kleidung mit Staub, keiner stellt ihn zur Rede, wenn er sich einen Sonnenbrand holt oder naß wird.
Ich wäre gern ein Gärtner und grübe im Garten die Erde um und keiner käme und hinderte mich beim Umgraben.
Wenn es dunkel wird am Abend und meine Mutter mich ins Bett schickt,
kann ich durch das offene Fenster den Nachtwächter sehen, wie er auf- und abgeht.
Der Weg liegt im Dunkel und ist verlassen, und die Straßenlampe steht wie ein Riese da mit einem roten Auge im Kopf.
Der Nachtwächter schwingt seine Laterne und geht Seit an Seit mit seinem Schatten und nie im Leben geht er zu Bett.
Ich wäre gern ein Nachtwächter und ginge jeden Abend die Straßen entlang und verjagte die Schatten mit meiner Laterne.

 

XXV Superior

Mother, your baby is silly! She is so absurdly childish!
She does not know the difference between the lights in the streets and the stars.
When we play at eating with pebbles, she thinks they are real food, and tries to put them into her mouth.
When I open a book before her and ask her to learn her a, b, c, she tears the leaves with her hands and roars for joy at nothing; this is your baby’s way of doing her lesson.
When I shake my head at her in anger and scold her and call her naughty, she laughs and thinks it great fun.
Everybody knows that father is away, but, if in play I call aloud ‘Father,’ she looks about her in excitement and thinks that father is near.
When I hold my class with the donkeys that our washerman brings to carry away the clothes and I warn her that I am the schoolmaster, she will scream for no reason and call me dada.
Your baby wants to catch the moon. She is so funny; she calls Ganesh Ganush.
Mother, your baby is silly, she is so absurdly childish!

 

XXV Überlegen

Mutter, deine Kleine ist dumm! Sie ist auf so lächerliche Art kindisch!
Sie kennt nicht den Unterscheid von Straßenlichtern und Sternen.
Wenn wir am Abend mit Steinen spielen, meint sie, man könne sie essen, und nimmt sie in den Mund.
Wenn ich ein Buch vor ihr aufschlage und sie auffordere, das ABC zu lernen, reißt sie die Blätter heraus und kreischt vor eitel Freude; das ist die Art und Weise, wie unser Herzchen seine Schulaufgaben macht.
Wenn ich vor Ärger über sie meinen Kopf schüttele und sie ausschimpfe und unartig nenne, dann lacht sie und hält es für einen Riesenspaß.
Ein jeder weiß, Vater ist unterwegs, doch wenn ich spaßeshalber laut „Vater“ rufe, schaut sie sich aufgeregt um und denkt, Vater sei in der Nähe.
Wenn ich Schule spiele mit den Eseln, die unser Wäschemann bringt, um die Kleider abzuholen und ich sie mahnend darauf hinweise, daß ich der Schulmeister sei, schreit sie ohne Grund und nennt mit Großvater.
Deine Kleine will den Mond fangen. Sie ist so drollig; Ganesh nennt sie Ganush.
Mutter, deine Kleine ist dumm! Sie ist auf so lächerliche Art kindisch!

 

XXVI The Little Big Man

I am small because I am a little child. I shall be big when I am as old as my father is.
My teacher will come and say, ‘It is late, bring your slate and your books.’
I shall tell him, ‘Do you not know I am as big as father? And I must not have lessons any more.’
My master will wonder and say, ‘He can leave his books if he likes, for he is grown up.’
I shall dress myself and walk to the fair where the crowd is thick.
My uncle will come rushing up to me and say, ‘You will get lost, my boy; let me carry you.’
I shall answer, ‘Can’t you see, uncle, I am as big as father. I must go to the fair alone.’
Uncle will say, ‘Yes, he can go wherever he likes, for he is grown up.’
Mother will come from her bath when I am giving money to my nurse, for I shall know how to open the box with my key.
Mother will say, ‘What are you about, naughty child?’
I shall tell her, ‘Mother, don’t you know, I am as big as father, and I must give silver to my nurse.’
Mother will say to herself, ‘He can give money to whom he likes, for he is grown up.’
In the holiday time in October father will come home and, thinking that I am still a baby, will bring for me from the town little shoes and small silken frocks.
I shall say, ‘Father, give them to my dada,’ for I am as big as you are.’
Father will think and say, ‘He can buy his own clothes if he likes, for he is grown up.’

 

XXVI Der kleine Erwachsene

Ich bin klein, denn ich bin ein kleines Kind. Ich werde groß sein, wenn ich so alt bin wie mein Vater.
Mein Lehrer wird kommen und sagen: „Es ist spät, hol deine Schiefertafel und deine Bücher.“
Ich werde ihm sagen: „Weißt du nicht, daß ich so groß bin wie Vater? Ich muß nicht länger in die Schule gehen.“
Mein Lehrer wird staunen und sagen: „Er kann seine Bücher vergessen, wenn er mag, denn er ist erwachsen.“
Ich werde mich selbst anziehen und zum Jahrmarkt gehen, wo es vor Leuten wimmelt.
Mein Onkel wird auf mich zustürzen und sagen: „Du gehst verloren, mein Junge, laß mich dich tragen.“
Ich werde antworten: „Kannst du nicht sehen, Onkel, daß ich so groß wie Vater bin. Ich muß allein zum Jahrmarkt gehen.“
Onkel wird sagen: „Ja, er kann gehen, wohin er will, er ist erwachsen.“
Mutter wird aus dem Bad kommen, während ich meinem Kindermädchen Geld gebe, denn ich werde mich darauf verstehen, den Kasten mit meinem Schlüssel zu öffnen.
Mutter wird sagen: „Was ist los mit dir, du unartiges Kind?“
Ich werde zu ihr sagen: „Mutter, weißt du nicht, daß ich so groß bin wie Vater und mein Kindermädchen bezahlen muß.“
Mutter wird sich sagen: „Er kann Geld geben, wem er will, denn er ist erwachsen.“
Zur Ferienzeit im Oktober wird Vater nach Hause kommen und im Glauben, ich sei noch ein kleines Kind, mir aus der Stadt kleine Schuhe und kleine seidene Kleider mitbringen.
Ich werde sagen: „Vater, gib sie meinem Bruder, denn ich bin so groß wie du.“
Vater wird denken und sagen: „Er kann sich selbst Kleider kaufen, wenn er mag, denn er ist erwachsen.“

 

Comments are closed.

Top