Es riecht nach Fechenheim
Hier lässt der Main sich Zeit
und döst in großem Bogen.
Wie träge ziehen dahin
Blättchen, Schnipsel, Pappelsamen
und Gefieder, ausgerupft.
Da dunkelt uns das dornichte Gestrüpp,
von guten Schülern Freiligraths gesät:
der Ammer wegen,
die ihr Gold hier tief verstecken mag.
Da kommt die Schimmelreiterin
mit ihren weißen Stuten:
Drei Schlittenhunde pirschen an den Hufen,
die Wolle weiß wie jene –
schräg äugt die Hoch-Gestiefelte
aus dicken Gläsern
und erwidert artig meinen Gruß.
Die weiten, fetten Felder dort
im Glanz der frühen Sprossen
oder noch verhüllt von grünen Folien,
die der Wind unhörbar bläht.
Der Uferweg ward tüchtig aufgehübscht –
junge, schlanke Pappeln bilden das Spalier –
die alten Weidenbäume saugen stumm
aus dem glucksend-morschen Grund.
Hier ist das Uferdickicht augenlos,
da kann ein sittsam-scheues Mädchen
unbescholten in die Hocke gehen
und die durstigen Halme
inniglich beträufeln.
Kolossale, abgestorbene Platanen,
vom Blitz versehrt, verkohlt,
gedenken nicht zu sterben –
an weichen Stellen recken sie Antennen
dünner Zweige in den Abendhimmel,
aus dem die gelben Schwaden
dicker Abluft von Allessa
in die Nase dringen:
Es riecht nach Fechenheim.
Auch wenn der Weg uns unversehens
ward versperrt,
wir fanden einen schönen Umweg
und schritten Hand in Hand
durch die Allee der Linden,
die uns überwölbten,
unserm kleinen Abenteuer
huldigend mit Licht- und Schattenspielen.
Wir saßen lauschend,
plauschend, Blicke tauschend,
unterm Schatten der Kastanie
im Gartencafé gleichen Namens –
die Ohren schwebten uns hinweg,
buddhistische Schmetterlinge,
in das süße Plätschern,
an dem kunstreich angelegten Quellchen
zag zu nippen –
wir knabberten genüsslich
die mitgebrachten Schokoladenbizets,
Meringue genannt –
bis uns die läuternden Akkorde
der beiden Kirchen,
erst evangelisch, dann katholisch,
die Schneise durch die Luft
zu einer schönen Seele schlugen.
Schien nicht der scheue Glanz
des Glücklichseins oder doch
des Glücklichwerdenwollens
aus deinen schönen Augen?
Ich warʼs, an diesem Ort,
zu dieser blauen Stunde,
von den herben Düften Fechenheims
chemisch-alchemistisch
traumessäumig langgedehnt:
beglückt.