Frühlingstag am Eifelmaar
Wo Krokus rot und golden Ginster blüht,
auf unsern süß umsummten Frühlingsgängen,
wo blasse Wasser eilen zu den blauen –
dort wollen wir uns in die Augen schauen,
bis sich verschlungne Schatten zögernd längen
und im Saphir des Maars der Mond erglüht.
Du packst aus deinem Rucksack Brot und Wein,
aus meinem ich den Divan unsres Goethe,
so kosten wir des Lichtes Wunderfrüchte –
erhitzt vom Geist der flammenden Gesichte,
kühlt uns der Vögel abendlich Geflöte,
und ferne rauscht ins Meer hinab der Rhein.
Durch die Rinde des Schlafs
Hauch des Abends blättert dich auf,
Strahl der zögernden Sonne
liest dich, streift langsam über dein Aug,
das Maar versinkender Funken,
die zitternden Wimpern des Schlafs.
Laub der Dämmerung hält dich noch wach,
rieselnd von Tropfen des Wohllauts,
dunkelnd von seufzenden Schatten,
umsonst wischst du, was Zwielicht gewebt,
Gespinste vom lallenden Mund.
Stern der Nacht treibt seinen Nagel
dir durch die Rinde des Schlafs,
und dem Mark, das schwieg über Tag,
entsickert das Harz eines Worts,
sein Duft ist herb, dunkel sein Glanz.
Dichterisch wohnet der Mensch
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Wo tut es weh? – Oben, im rechten Schneidezahn, Herr Doktor.
Wir können ungefähre Orte für den Ursprung unserer Schmerzen, Lust- und Unlustempfindungen, kurz unserer Leibgefühle, ausmachen.
Doch die Lokalisierung von Empfindungen gehorcht nicht einer spezifischen Geometrie, sei es der euklidischen oder sonst einer. – Wenn wir in eine Stadt reisen, die von unserem Wohnort etwa 350 km entfernt ist, würden wir, wenn wir im Hotel eingetroffen von Zahnschmerzen heimgesucht werden, nicht sagen: „Der Ort meiner Schmerzempfindung ist 350 km von meinem Heimatort entfernt.“
Das Kind hat zwei Kästchen, jeweils mit Buchstaben und Zahlen aus Holz gefüllt. Fragst du es, wo die Buchstaben sind, zeigt es auf das eine Kästchen, fragst du es, wo die Zahlen sind, zeigt es auf das andere.
Fragst du Platon, wo die Zahlen sind, antwortet er: „Dort drüben im platonischen Himmel, sie wohnen gleich neben den platonischen Ideen!“
Fragst du den wissenschaftlichen Linguisten, wo die Buchstaben sind, nach dem Ort unserer Sprache, weist er auf bestimmte Hirnregionen.
Doch was wäre prinzipiell auf der symbolischen Ebene anders, als es nun einmal ist, hätte sich herausgestellt, daß der berühmte Mathematiker Gauß oder der große Dichter Goethe statt grauer Zellen Zuckerwatte unter der Schädeldecke beherbergten?
Erst meinen wir mit dem Kind, Zahlen seien wie Murmeln Dinge, die wir in Kästchen füllen können. Dann merken wir, daß die Anzahl der Dinge endlich, die der Zahlen unendlich ist; es gibt ja zum Beispiel so viele Einsen, Zweien, Dreien, wie es das Herz begehrt. Endlich stutzen wir und merken, daß die Identität von Dingen anderer Natur ist als die Identität von Zahlen (oder Bildern, Vorstellungen, Ideen): Hans hat nur diese eine Prachtmurmel, Petra hat eine, die ihr wie ein Ei dem anderen gleicht, aber es ist eine andere. Doch die Zahl 3, die Hans zur Zahl 4 addiert, ist dieselbe Zahl, die Petra erhält, wenn sie 4 von 7 subtrahiert.
Wir können von Zahlen (Empfindungen, Vorstellungen, Ideen) nicht auf dieselbe Weise reden wie über Dinge. Das aber heißt nicht, Zahlen (Empfindungen, Vorstellungen, Ideen) seien im Gegensatz zu Dingen, die wir für physisch, wirklich, konkret, einmalig, an Raum-Zeitstellen lokalisierbar und identifizierbar erachten, metaphysisch, unwirklich, abstrakt und in einem mentalen oder metaphysischen Pseudo-Raum angesiedelt. Daß wir über Zahlen (Empfindungen, Vorstellungen, Ideen) nicht wie über Dinge reden können, bedeutet, daß die logische Grammatik der Sätze, mit denen wir über Zahlen reden, eine andere ist als die logische Grammatik der Sätze, mit denen wir über Dinge reden.
Wir können die Zahlen nach Kategorien ordnen, wie natürliche, rationale oder Primzahlen; doch die Zahl 5 als Element der Reihe der natürlichen Zahlen betrachtet ist keine andere als die Zahl 25/5 als Element der Reihe der rationalen oder als Element der Reihe der Primzahlen betrachtet.
Das Gedicht Baudelaires in der Originalsprache und seine Übersetzung durch Stefan George sind zwei verschiedene Gedichte; ich kann das eine nicht auf das andere abbilden, wie ich eine geometrische Figur durch Projektion auf eine andere abbilden kann.
Das Gedächtnis ist kein Behälter, Speicher oder Vorratsraum, in dem wir unsere Erinnerungen aufbewahren.
Die Analogie des Gedächtnisses mit einem digitalen Speicher (auf dem Rechner) führt uns in Hinsicht der logisch-semantischen Eigenschaften der Sätze, mit denen wir über unsere Erinnerungen reden, systematisch in die Irre.
Erinnerungen an Dinge, Personen und Ereignisse sind nicht die Schatten oder Abziehbilder von Dingen, Personen und Ereignissen, die wir im Speicher oder Katalog unseres Gedächtnisses abgelegt, eingeklebt oder abgeheftet haben.
Für ein historisches Werk können wir im Anhang einen Index von den Namen all der Dinge, Personen und Ereignisse (Orte, Zeiten) einrichten, jeweils unter Angabe der Seiten, unter denen wir das jeweils vom Historiker Berichtete finden. Doch so funktioniert, was wir Erinnerung nennen, nicht; wir schlagen nicht „im Kopf“ das Buch oder die Annalen unseres Gedächtnisses auf und finden dort mithilfe beispielsweise des Lemmas „Mutter“ all die Seiten, die Berichte über Ereignisse aus dem Leben unserer Mutter enthalten.
Der Vorname unserer Mutter wird zufällig erwähnt; und wir denken unwillkürlich an das junge Mädchen dieses Namens und an eine Episode seiner Jugendzeit, die uns die Betrachtung von alten Fotos vor Augen geführt hatte, Zeit harter Arbeit auf den Feldern oder ausgelassener Feste, lange bevor diese Frau mit uns schwanger ging.
Wir suchen die Erinnerung nicht im Speicher unseres Gedächtnisses auf, sie findet uns wie von selbst. Auf solche Weise schlummern unsere Erinnerungen, wie es Proust so köstlich beschrieben hat, gleichsam in den sich unvermutet öffnenden Schalen unserer gewöhnlichen Wahrnehmung, in einem Duft, einem Klang, einem unerwarteten Wechsel der Atmosphäre.
Wie wurden unsere Erinnerungen wach? Wir können nicht sagen, wir hätten sie geweckt.
Wir können Erinnerungen nicht willkürlich heraufrufen; könnten wir es, wären sie uns schon vorab bewußt.
Wir lernen sprechen und schreiben, aber nicht uns zu erinnern. Wenn die Ampel auf Grün schaltet, erinnern wir uns nicht an die Bedeutung des Signals „Gehen!“, sondern gehorchen gleichsam einem bedingten Reflex, der an die Assoziation der Farbe mit der Bedeutung des Signals geknüpft ist.
Freilich erlernen wir Techniken, andere Personen an uns zu erinnern; wir schreiben eine E-Mail oder eine Einladungskarte.
„Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ – Aber auch wenn wir der Feier solchen Angedenkens mit der gebührenden Hochachtung beiwohnen, kann uns die Erinnerung böse Streiche spielen (indem wir unwillkürlich an das berühmte Gemälde von Leonardo da Vinci denken und uns in seiner ästhetischen Betrachtung verlieren, statt zu beten).
Die Gruppe herrscht über ihre Mitglieder mittels Abrichtung ihres Gedächtnisses. Kalender, Festtage, rituelle Begehungen. Aus der Gruppe erwächst der Staat mit seiner echten Kultur des Gedenkens oder einem ideologischen Mummenschanz sogenannter „Erinnerungskultur“.
Wir stellen fest, daß die rote Rose etwa fünf Meter von uns entfernt ist. Aber der Roteindruck, den wir durch sie haben, ist nicht fünf Meter von uns entfernt. Wir können nicht sinnvoll fragen, wo er ist.
Unsere Sinneseindrücke und Wahrnehmungen, unsere Empfindungen und Erinnerungen befinden sich, gemessen an der objektiven Maßgabe von wissenschaftlichen Geometrien oder Orts- und Zeitmessungen, nirgends, an keinem spezifischen Ort. Die von uns wahrgenommene Farbe haftet weder an der Rose noch an der Retina noch im neuronalen Sehzentrum.
Wir hören das Thema einer Sonate und sehen das Klavier, mit dem es angeschlagen wird; das Klavier steht etwa 20 Meter von uns entfernt auf dem Podium, aber der Höreindruck ist nicht 20 Meter von uns entfernt, er ist weder im Ohr noch im Kopf, er ist uns auch nicht ganz nah auf den Leib gerückt. Wir können nicht sinnvoll fragen, wo er ist.
Wir erhalten die amtliche Mitteilung, uns dann und dann bei der Behörde einzufinden; wir haben die Bedeutung der Mitteilung richtig aufgefaßt. Doch die Bedeutung ist weder das Schriftbild der Mitteilung noch eine mentale Entität in unserem Kopf, die wir wie einen Merk- oder Spickzettel im Kalender unseres Gedächtnisses ablegen oder anheften könnten.
Wir sind, was wir sind, als diejenigen, die Gestalt-, Farb- und Klangeindrücke wahrnehmen und Bedeutungen aus Mitteilungen dechiffrieren, um danach zu handeln. Aber was für die Eigenschaften der Sätze gilt, die über Empfindungen, Wahrnehmungen, Vorstellungen und Erinnerungen sprechen, nämlich, daß ihre Logik und Grammatik eine andere sind als die von Sätzen, die über Dinge, Personen und Ereignisse sprechen, gilt a fortiori auch für uns selbst als sogenannte subjektive Wesen: Wir sind als solche genausowenig Bezugspunkte in einer euklidischen oder nichteuklidischen Geometrie, wie es unsere Empfindungen, Wahrnehmungen, Vorstellungen und Erinnerungen sind.
Was wir meinen, wenn wir „ich“ sagen, hat keinen spezifischen Ort in der physikalischen Raumzeit.
Da wir aber als physische Körper Dinge neben unzähligen anderen Dingen und also Bezugspunkte eines raumzeitlichen Koordinatensystems sind, neigen wir zu der irrigen Ansicht, als subjektive Wesen müßten wir Bezugspunkte eines metaphysischen Universums, gleichsam surreale Schatten der realen Dinge, sogenannte Seelen, sein.
Doch die Tatsache, daß wir über uns nicht reden können wie über rein physische Dinge und Ereignisse (es sei denn wir sprechen mit unserem behandelnden Arzt über unsere Wunde an der Hand), bedeutet, daß die Sprache, in der wir über uns angemessene Aussagen treffen, eine andere Logik hat als die Sprache, in der wir über das Wetter, den Autounfall oder die Börsenkurse reden.
Die Sprache der Dichtung ist von dieser Art. Sie hat eine andere Logik und Grammatik als die Sprache über Dinge und Ereignisse, die wir objektiv, sachbezogen oder realistisch nennen, weil wir mittels ihrer Grammatik durch Namen und deskriptive Ausdrücke Dinge und ihre Eigenschaften in der Raumzeit identifizieren können.
So können wir mit Hölderlin in einem starken, präzisen, nicht romantisch verschwommenen Sinn sagen, daß der Mensch „dichterisch wohnet“. Wohnen meint hier nicht, sich da und dort zeitweise oder auf Dauer aufhalten, auf der Erde, in Behausungen, in Räumen, die wir mittels eines physikalisch interpretierbaren Koordinatensystems bestimmen können; auch wenn dieser raumzeitliche Aspekt unseres Daseins mitgemeint ist. Wohnen heißt vielmehr, eine Welt, eine Gegend, eine Sprache und Kultur bewohnen, in einer Landschaft historisch verwurzelt sein, ihr Licht und ihre Schatten, ihre Farben und Düfte genießen und benennen.
Dichterisch wohnen meint, dem unseligen Drang zu widerstehen, die Welt, das eigene Leben, das Leben der anderen als begriffliches oder soziales Konstrukt nach dem immer herrischer faszinierenden Muster des technischen Machens und Herstellens vorzustellen und zur Sprache zu bringen, der Sprache der Technik, der Wissenschaft, der Verwaltung.
Die Räume, die wir bewohnen, sind keine objektiven, geometrisch projizierbaren und technisch nach dem Plan unseres individuellen oder eines kollektiven Willens gestaltbaren faktischen oder sozialen Strukturen, sondern Gegenden und Bauten des über die Sprache uns überkommenen Sinns oder eben des schreienden, kläglichen, trostlosen Unsinns.
Zu sagen, daß wir das Haus der Sprache bewohnen, heißt nicht, das Dasein der stummen Dinge zu leugnen, sondern es allererst als Schatten des Hauses der Sprache, als Horizont unseres Daseins unter der Sonne, als Linie unter den Linien des Lebens zu vergegenwärtigen.
So ist die Zeit unseres Daseins weder im Bild der gleichförmig strömenden Bewegung des Flusses noch nach dem Muster der gleichförmigen Bewegung der Gestirne und Atome oder der ungleichförmigen von subatomaren Teilchen zu fassen und zu ermessen, also mittels klassischer oder moderner Zeitmesser und Uhren; vielmehr nach der Erfahrung dessen, der ungeduldig auf die Wiederkehr eines geliebten Menschen wartet, der den Tag im Lichte der Erfüllung oder des Verzichts, des Zuspruchs oder der Entsagung, der alltäglichen Sorge oder der Erwartung einer festtäglichen Freude anzuschauen sich bemüht.
Ein wesentlicher Aspekt der Zeit unseres Daseins erschlösse sich der Meditation über die Zeile Goethes: „Warte nur, balde/ruhest du auch.“ Denn Warten mit seinen Schattierungen und Nuancierungen der Geduld und Ungeduld, hellhöriger Aufmerksamkeit oder dumpfer Zerstreuung und Langeweile, von Ahnung eigener Sterblichkeit oder billiger Tröstung mittels scheinbar unverweslicher Werke, Zukunftsvisionen und Menschheitsprojekten – Warten, im eigentlichen oder im defizienten Sinn, ist ein Grundmodus unserer Zeitlichkeit.
Herbstabend am Rhein
Wir haben Steine ja am Ufer, Brocken
aus Basalt, von Moos begrünte, drauf
in Ruhe noch zu sitzen und zu schauen,
wie Strahlen überm Wasser sich in Gold
verzücken, wie Schatten, unser beider Schatten,
sanft zitternd ineinander übergehen.
Dort an den schroffen Hängen, wo die Burg
sich aus dem Felsen steigert, glänzt die Nässe,
als wär auf braunen Nacken sie getropft,
und drüber hin ein Himmel, der noch zögernd
des Abschieds veilchenblaue Fahne schwenkt,
die unser Wappen schmückt, der blasse Mond.
Ich kam von hier und du vom andern Ufer,
du brachtest mir die Früchte, ich die Schale,
in grünem Schoß den roten Herbst zu tragen.
Und was gesummt du hast, das leise Lied,
es war die Brücke, hin und wider schwingend,
was drunter rauschte, kam von fernem Quell.
Nun sitzen Fremde wir am Heimatstrome,
und was zu sagen ist, tut schweigend kund
mir deine Hand, die sich in meine schmiegt,
dir meine Hand, die sich um deine wölbt.
Und steigt aus Stromes Nacht uns das Geläute
von Glocken, die bei Ahnengeistern schliefen,
mischen wir entrückter Herzen Gong
in jenen Ton, bis er im Schilf versiegt.
Herz so klein und heiß
Herz so klein und heiß.
Will der Schweif dich narren,
drehst du dich im Kreis.
Wie die Pfötchen scharren!
Was dort liegt vergraben,
Herz so klein und heiß,
Hündchen muß es haben.
Auge, tiefer Teich.
Magst aufs Knie mir legen
deine Pfote weich,
Wasser will sich regen.
Was dort glänzt voll Schweigen,
Auge, tiefer Teich,
Hündchen will es zeigen.
Fell, schneeweißes Vlies.
Pflück ich ab die Pollen,
die der Wind ihm blies,
magst ein wenig schmollen.
Hand soll sanft durchwühlen
Fell, schneeweißes Vlies,
Hündchen wird es fühlen.
Herz so klein und heiß,
hörtest auf zu glühen.
Pflanze dir ein Reis,
schneeweiß soll’s erblühen,
dir und mir, uns beiden.
Herz so klein und heiß.
Bitter ist das Scheiden
Spiegelschrift
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Auch Flocken, die schweben, fallen.
*
Er wähnt, mittels hochtrabenden Geschwätzes zu faszinieren und zu bannen, sie schlägt die Augen auf und alle Knappen knien.
*
Dichtung, die nicht tröstet und lindert und erleuchtet (auch wenn sie schneidet oder sticht oder Schleier webt), bliebe besser ungeschrieben.
*
Der aufgeklärte Simpel meint, Philosophen wüßten mehr als der Alltagsverstand.
*
Wer sich in einen falschen Körper und ein fremdes Geschlecht verhext glaubt, lebt in einem bösen Zauber, von dem ihn auch kein Medizinmann befreien kann.
*
Das Unerreichbare zu wünschen – Quelle des Kummers (wie die Stoiker und Weisheitslehrer wußten); und doch Adelszeichen auf einer von der Muse geküßten oder doch gestreiften Stirn.
*
Und dennoch, törichtes Menetekel auf den Mauern des Campus, damals: „Exigeons l’impossible“.
*
Enttäuschung durch Erfüllung.
*
Ein Mann kann keine Frau werden; das Kriterium des Frauseins besteht in der Fähigkeit, empfangen und gebären zu können.
*
Das Gehirn des Mannes ist anders aufgebaut und vernetzt als das Gehirn der Frau (vom hormonellen Kreislauf zu schweigen); würden die Neuroingenieure sich aber dahin versteigen, Gehirne zu transplantieren, wüßten die Opfer nicht mehr, wer sie waren.
*
Man redet sich selber nicht mit „Ich“ an. – Man fragt nicht nach sich.
*
Man fragt sich wohl: „War ich vor zwei oder drei Tagen im Park?“ Oder: „War ich vor drei Tagen im REWE oder im Aldi?“ Aber nicht: „War ich es, der vor zwei oder drei Tagen im Park war?“ – „War ich es, der vor drei Tagen im REWE oder Aldi war?“
*
Kennt die Physik auch kein natürliches Vakuum, die Dichtung weiß von der leeren Zeit und dem unerfüllten Augenblick.
*
Wie jäh der Blitz des Blickes, wie lang der Wunde Brand.
*
Schatten des Gefühls, Erinnerung.
*
Hoher Schnee, der die Nacht erhellt. Dunkel das glucksende Wasser der Tiefe.
*
Zeus zieht die Brauen hoch. Der Aphrodite Wimpern zucken.
*
Großvater ging mit mir den Weg „Überm Rath“ nach Güls zu den Moselfischern. Das Schäumen und Klatschen der Flossen im Bottich. – In der Badewanne die sich träge zu Tode ringelnden Schatten.
*
Ares und Eros: Die Grenzen zwischen Tag und Traum, zwischen Grausamkeit und Glanz, Verbrechen und Ruhm verschwimmen.
*
Dem Kurzsichtigen wird alle Ferne ein vages Ungefähr, er blickt verstohlen zur Seite, ruft eine unbekannte Gestalt ihm von der anderen Straßenseite zu.
*
Zu weich das Schülerherz für solche Küsse.
*
Zu herb das Dichterherz für solche Phrasen.
*
Genrebild mit Mutter als junges Mädchen. Spätsommernachmittag, im Arm hängt der geflochtene Korb mit frisch gepflückten Birnen, Äpfeln. Sie wischt sich mit der freien Hand die Locken aus der heißen Stirn, verlegenes, kokettes Lächeln.
*
Freizeitlatschen, Jogginghose. Er geht zu den steinernen Delphinen des Brunnens im Park, aus deren gestülpten Lippen der saumselige Strahl herniederplätschert. Er zückt sein Smartphone, hält es kurz hin, und schleicht von dannen, ohne etwas gesehen, etwas gehört zu haben.
*
Barbarisierung der Sinnlichkeit durch Technik. Schnelle Fahrten, optische Strudel und visuelle Siphons, von denen die Bilder der Landschaft verschluckt werden. Das äonenlange Rauschen der Motoren, sein Sieg über das Rauschen des Wassers, der Brunnen, Sieg des Pfeifens der Fabriksirenen über das Schluchzen der Nachtigall. Der Triumpf des Asphalts über das Gedächtnis der Gräser. Das kalte Flackern der Bildschirme, seine zersetzend-verödende Wirkung auf die Anschauung der Bildnisse alter Meister.
*
Die Anmut Mozarts ist keine artistische Allüre, kein musikalisches Konstrukt, keine Erfindung.
*
Der Schatten wandert mit den Sonnenuhren, und mit ihm, daß wir Wehmut fühlen, Erleichterung atmen, die Schönheit, der Schrecken.
*
Cäsar hat den Ruhm der Romania, Napoleon den Makel des brennenden Moskau.
*
„Nachtigall“ ist die allgemeine zoologische Bezeichnung einer Vogelart und die poetische Evokation einer singulären Empfindung.
*
„Gender“ ist nicht der Name eines Begriffs, sein hemmungsloser, mit gesinnungsterroristischen Sanktionen bewehrter Gebrauch ist vielmehr das Kennzeichen einer kollektiven Hysterie.
*
In der Spätromantik gab es hierzulande das seltsame Phänomen der Sonettenwut, ausgetragen unter alten bärtigen Barden wie dem Schulmeister Voß und den gelehrten Schulfuchsern der Gebrüder Schlegel, die so rasch erlosch, wie sie aufgeflammt war; in Japan ereifern sich allerorts schon die kleinen Kinder, sich im Verfertigen der subtilen Gedichtform des Haiku zu übertreffen.
*
„Freie Presse“, „objektive Medienberichterstattung“, „der Wahrheit verpflichteter Journalismus“ – contradictiones in adiecto. Es sind die Götzen und Schibboleths der meist verbeamteten Vertreter einer parasitären Kaste, die desto mehr sich als unverzichtbare Avatare der höheren Moral ins Rampenlicht stellen und die eigenen Fleischtöpfe füllen, je mehr sie ihre Berichte über das Elend der anderen mit scharfen rhetorischen Gewürzen garnieren oder unter geschickter Verwendung zweideutiger Bilder und Phrasen zu ihre höchsteigene Betroffenheit ausstellenden Sensationen hochstilisieren.
*
Wo die Medien, Theater und Ausstellungshallen, die Kindergärten, die Schulen und Hochschulen, vor allem die angeblich freier Künste, staatlicher Aufsicht und ideologischer Kontrolle unterliegen, steigen aus den Sümpfen niederer Begabungen die widrigen Dämpfe der Vulgarisierung des Geschmacks, der Verwilderung handwerklichen Könnens und der pubertären Verunglimpfung der Überlieferung empor.
*
Als es noch keine Presse gab und keine sogenannte Vierte Macht im Staat, schrieb Horaz seine Oden und Vergil die Aeneis, als es jedenfalls keine freie Presse gab, Goethe den Faust II und Hölderlin seine Hymnen. – Der nicht der Zensur, sondern einer Hofintrige zum Opfer gefallene und ans Schwarze Meer verbannte Ovid schrieb dort seine „Tristia“.
*
Wege, die durch eine imaginäre Wildnis führen, kennen wir weniger aus der Prosa als der Dichtung; wir meinen die weinfarbenen Wogen, in die der Kiel des homerischen Hexameters seine schäumenden Furchen zieht, oder die schwarzblauen Strudel im Haar der Geliebten, dessen betörendem Duft der Vers des Dichters nicht widerstehen kann, sich auf die Inseln der glücklichen Hesperiden entführen zu lassen.
*
Der Hund ist der Gefährte des Erzählers auf den schön gebahnten Wegen ihrer gemeinsamen Wanderungen, und pfeift das Herrchen, läuft er freudig herzu und legt ihm einen Tannenzapfen aus der nahen Schonung oder eine wohlduftende Nuß aus dem Gras der heimischen Erde zu Füßen. Die Katze ist die Gefährtin des Dichters, streicht sie auch gern ihm ums Knie und liegt ihm bisweilen, wenn er schreibt, im Schoß, bleibt sie doch anders als der Hund im Wesen ungezähmt und fremd, denn spricht Treue aus den Augen des Hundes, so ein dunkles Rätsel aus denen der Katze, ein Rätsel, das demjenigen des lyrischen Gedichts nicht von ungefähr ähnelt.
*
Der Dichter liest die Seele der Welt in der Spiegelschrift des Wassers; anders als der Himmel der Wolken ist das Blau des Wassers Innerlichkeit und Traum, und in seiner unwirklichen Tiefe sind das Seufzen des Sommergrases und das Stöhnen des Novemberwinds schon verstummt. Und jene Augen, die ihm am Ufer des Sees, beugt er sich tiefer herab, entgegenblicken, erkennt er nicht als seine eigenen, sondern als die einer abgelebten Gestalt seines Daseins, und die Träne, die ihr rinnt, ist nicht das Zeichen der Trauer, sondern der Ergriffenheit der Wiederbegegnung mit einem verloren Geglaubten. Wie das Bild verschwimmt, wenn sie fällt, zählt auch er sich den Verlorenen zu.
Gedämpfter Schmerz
Dein Blick umschleiert,
als löschten Tränen Glut –
gedämpfter Schmerz.
*
Im Schnee der Nacht
Knirschen
rätselheller Schritte.
*
Scherbe auf dem Samt
der Finsternis,
zerbrochner Glanz.
*
Sieh dich im Wasser,
ein Tropfen –
und das Bild verschwimmt.
*
Hohe Trauerfeier,
ein Fenster offen –
Zirpen lauer Sommernacht.
*
Auf dem Friedhof.
„Hol die Kanne!“ –
Grüner Fäulnishauch.
*
Weihrauch blaut.
„Zu meinem Angedenken.“ –
Schwalbe fliegt zur Apsis auf.
*
Holunderbusch,
weißer Schaum
knistert in deinen Schlaf.
*
Das Wort, ein Stich. –
Die Biene stirbt,
das Gift, es kreist und kreist.
*
Wir gehen bis zum Fluß.
Schilf, es bebt.
Still deine Hand in meiner.
*
Der Krug mit Wein,
umgestürzt –
Mücken taumeln.
*
Ging die Kerze aus –
Liebe singt
ihr Licht ins Dunkel.
*
Du wischst vom Stein
Grünspan ab und Moos –
unsre Namen, fremd.
*
Tau an Traumes Wimpern,
Mohn des Abendrots,
Verse, dunkler Duft.
*
Male Grau auf Blau
diese Abendstunde –
ein Grün wär schon zu hell.
*
Langsam wird dein Schritt,
gehst du auf dunklem Moos,
Veilchen, und du weilst.
*
Die Schwalben rufen dich,
der Brunnen blaue Nächte –
dem Wissen sag ade.
*
Kuckucksruf –
und Waldes Odem
überhaucht dein Leid.
*
Hier, des Abschieds Schwelle –
Gedächtnis grünt am Stein,
o treues Moos.
Dreiklang, Einklang
O die Flamme
des Gesanges,
die in Blütenschalen schläft.
*
Dreiklang,
Einklang,
Haiku.
*
Efeu kriecht ins Dunkel,
Eichenstamm
hebt ihn ins Licht.
*
Sich ins Blaue wimpernd,
sich ins Dunkel weinend,
sieht mein Vers, ist blind.
*
Dem Silberweiden flüstern
und das Schilf des Lieds,
Fluß, er sickert trübe.
*
Trippelschritt in Seide,
Blicke feuchter Glut,
Verse, unfruchtbar.
*
Rosen, Flammenhauch,
Lilien, keuscher Tau,
duftlos blaut mein Veilchen.
*
Opal des Meeres, Ode,
maarschwarzer Onyx, Elegie –
Dreivers, grauen Rinnsals Kiesel.
*
Ihr hobt den bloßen Fuß
im runden Takt der Zymbeln –
die Blicke Schmelz von Rehen.
*
Vers, des Farns Gefieder
und Wehens dunkle Rhythmen,
rinnt silbern Tau herab.
*
Die Schleife sanft gelöst
von lauen Windes Lippen –
ein Wasserfall von Locken.
*
Wie lang sind wir gestiegen
hinan zum Gipfelschnee –
und unter uns die Wolken.
*
Sie singt im vollen Mond,
furchtlose Nachtigall,
wir beben schon wie Schatten.
*
Getaucht ins grüne Wasser
fühlt sich die Hand gerettet
vorm Feuer in der Brust.
*
Durch die Nacht der Kiefern
ein Saphir fern, der schmilzt,
das Blau der Adria.
*
Fremd am nächtigen Ufer
plätschert uns noch der Brunnen
im Paradies des Klosters.
*
Flecken im Schneefeld, Krähen,
und leer das Nest des Schlafs –
o Duft der Sommernacht.
*
Stumm und rätselstarr,
Vers, wie eine Mücke
im Bernstein eingesargt.
*
Mein Lied, es wandert
einsam übers Moor –
ein Knochen tönt ihm nach.
Flügelschläge
Hündchen, Kletten im Fell,
hechelnd vom Jagen des Hasen,
legt sanft dir die Pfote aufs Knie.
*
Wo wir im Uferschilf lagen –
wob der Mond ein Netz
für die Seufzer des Wassers.
*
Tropfen
am Faden des Abendlichts –
Perlenschnur des Erinnerns.
*
Apfelbaum, kahl,
gekrümmt
unterm gefrorenen Blau.
*
Abschiedslied,
dem Blatte gleich,
vom Herbst überflammt.
*
Worte duften ja nicht –
zwei Silben, Rose,
glühen um Mitternacht.
*
Flaum im Moos,
Gesang,
o ausgerissenes Herz.
*
Das Kind vergaß die Murmel –
sie schimmert im Sand,
da sich sein Blick schon trübt.
*
Flügelschläge,
der Sommer entflieht –
eine Feder nur ließ er zurück.
*
Trauriger Pfad,
gespenstisches Dickicht –
Veilchen, sie lächeln.
*
Zähne am Zaun –
zersplissener Knäuel,
tändelnder Wind.
*
Wasser im Moos,
kaum hörbar
Schluchzen.
*
Muschel, Inseln
rufen dem Knaben
ins Ohr: „O komm!“.
*
Lied, es tunkt,
wie ein Falter,
seinen Fühler ins Herz.
*
Ahnenmal,
unlesbar die Schrift
unter so viel Dornen.
*
Eines Hähers Schatten
überm Finkennest –
süßes Gezwitscher.
*
Schnee fällt auf Schnee,
Wort um Wort
dichtere Stille.
*
Rufe des Kuckucks
hallen und hallen
im Wald meiner Schwermut.
*
Der Leierkasten der Lüste,
das Hupen der Hast –
ein Kissen über den Kopf!
*
Morgens ein Schrei,
mittags ein Sermon,
abends ein Ach.
*
Der Rosen streut
aufs dämmernde Grab,
schnitt sie aus Flammen.
*
Der Himmel bedeckt,
Heliotrop, es weiß
um die Wege der Sonne.
*
Greis, an den Stock genagelt
Plaketten all der Orte
seiner Amouren.
*
Tausend Blumen,
tausend Namen,
du nur blühst namenlos.
*
Von Düften genährt,
von köstlichen Farben,
im Ödland verhungert.
*
Chrysanthemen,
ihr Lichter der Lust –
mir dunkelt das Gras.
*
Ihr Ozeane,
jubelnd von Gischt –
still meine Maare.
*
Wenn stiller die Kerze tropft –
Großmaul, es quatscht
immer dazwischen.
Wasser –
Spiegelschrift –
klar und rätselhaft.
*
Bunte Blätter,
Windgespiele –
rascheln, ruhn.
*
Gemalte Schale,
weiße, gelbe Blüten –
duftlos und betörend.
*
Getuschte Woge,
lautlos schäumend –
ihr Echo ist mein Lied.
*
In den Schlaf gelallt
von der Litanei
fallender Tropfen.
*
Aus nächtlichen Rissen
taumeln Kristalle
silbernen Lichts.
*
Verschneit die Pfade,
die Gärten im Dunkel –
Stern, er weist den Weg.
*
Im Zwielicht
bilden Kartoffeln
giftige Triebe.
*
Novembermorgen –
Rauhreif auf Dächern
glimmt in der Sonne.
*
Auf verwaister Schwelle
Moos, als grünte
Erinnern.
*
Das Gespinst der Zeit
wischst du ab –
nicht das Erschrecken.
*
Herbstgeruch im Tal –
auf den Hügeln Rauch –
dein Kuß hat noch Sommer.
*
Schnee schimmert im Schlaf.
Die Uhren schweigen. –
Im Boden gluckst es.
*
Richtest du die Blumen,
schneidest an das Brot –
Anmut, traumverloren.
*
Dein Blick trinkt den Tau
am rötlichen Blatt –
fern der Kraniche Schrei.
*
Blaßt das Gold der Tage,
und die Rose verlischt –
leg deine Hand in meine.
*
Schleicht ein Seufzen
durch dämmernde Räume –
Hündchen springt an dir hoch.
*
Stehst allein am Fenster,
Nacht kriecht in das Herz –
Mond, Lampion im Baum.
*
Vase schwebend im Dunkel,
die du schnittest, Rosen –
Gluten, rätselfahl.
Deutsche Haiku
Über das Wasser
ziehen leuchtende Wolken.
Schwan, er schwankt im Schlaf.
*
Nacht, flockenbestäubt.
Im Schilf am Ufer des Sees
gluckert das Dunkel.
*
Blau, Rätsel aus Luft.
Wir atmen es ein und aus,
keiner, der es löst.
*
Gefrorener See,
Schlaf. In der dunklen Tiefe
blitzt es von Flossen.
*
Wie aber Heimat?
Im Schnee der Nacht keine Spur.
Hell ein Fenster, fern.
*
Abend, roter Mohn.
Langsam rinnt nieder der Tau,
bis die Glut verlischt.
*
Den niedertrat ein
tumber Fuß, unscheinbarer
Halm steht wieder auf.
*
Molke schüttend in
Krüge der Nacht, stummer Mond
vollendet den Vers.
*
Ein Frosthauch genügt,
und am Fenster die Fächer,
die Farne des Lichts.
*
Das Lied ist verweht.
Die Pollen des Sommertags,
fanden sie Obdach?
*
Ihr lächelt dem Licht,
Maßliebchen, habt Tränen ihr
auch, wenn es dunkelt?
*
Unpflückbar leuchten
schön am Zweig der Dämmerung
Äpfel der Kindheit.
*
Wie das Haupt des Schwans,
den Schaum des Monds zu kosten,
taucht der Flaum des Worts.
*
Kristall des Frühlichts
tönt purpurn im Gipfelschnee,
gläserne Rosen.
*
Ruderlos ein Boot,
von grüner Welle umseufzt,
treibt mein Lied dahin.
*
Vom Regen gewiegt,
schweben die Teichrohrsänger
im Schilfrohr des Schlafs.
*
Tropfen zerspringen,
helle Laubserenade,
Blatt für Blatt ein Ton.
*
Die Tür geschlossen –
durchs Schlüsselloch schlüpftest du
in meine Träume.
Lose taumeln Traumes Flocken
Und wird das Wasser Dunst und Schleier,
bricht heiter sich der späte Strahl.
Blind tappt der Sänger von der Feier,
die Treppe des Gefühls, wie schmal.
Und die sich glatter Wege rühmen
vom Dorfteich bis zum Weltenmeer,
sie schöpfen mit Wortungetümen
nicht eine kleine Pfütze leer.
Sie leimen roh zitierte Brocken,
die bleckend Mäkelmaul zerfetzt.
Und lose taumeln Traumes Flocken,
daß sich des Verses Knospe netzt.
Nach Tropfen, die im Nebel glimmen,
lechzt schon der Erde mürbe Haut.
Mag leicht das Blatt auf Wassern schwimmen,
o Vers, der dunklem Schwanken traut.
Daß eine Blüte uns noch bleibe
Hörst, Liebe, du das sanfte Rieseln,
als seufze auf des Waldes Nacht,
siehst du den bunten Schaum auf Kieseln,
vom scheuen Kuß des Lichts entfacht?
O dämmerbange Feuchte,
daß eine Blüte uns noch leuchte.
Fühlst, Liebe, du die hohe Stille,
als atme aus der dunkle Wald,
ist dir aus knospenroter Hülle
der Hauch der Nacht ums Herz gewallt?
O vollen Mondes Scheibe,
daß eine Blüte uns noch bleibe.
Hast, Liebe du im Traum gesprochen,
als hätte dir ein jäher Wind
der süßen Früchte Zweig gebrochen,
ich tappe, sie zu bergen, blind?
O ferner Heimat Auen,
daß reife Beeren uns noch blauen.
Wo kein Vogel singt
Das Lied des Wassers, es verklang
im dunklen Farn, das Wort ward trocken,
der Wind des Abgrunds aber wrang
die Feuchte aus den Wolkenlocken.
Wie du im warmen Schiefer schliefst,
als stünden still die Sonnenuhren,
schien es im Traum dir, daß du liefst
nach Schatten heimatlicher Fluren.
Und hab ich, Liebe, dich geweckt
mit einer Feder weichen Daunen,
und zucktest auf du, tatst erschreckt,
war feucht dein Blick, ein blaues Staunen.
So stiegen wir, vom Wind beschwingt
durch Laubes Flüstern zu den Brachen
der Höhe, wo kein Vogel singt,
fremdländisch klang, was wir dort sprachen.
Leises Tröpfeln, scheuer Glanz
Das leise Tröpfeln auf das Fenstersims
nach einem wilden Regen,
es ist mit einemal verstummt,
und du bist eingeschlafen.
Und Wolken sind wie Schaum,
der von späten Strahlen glüht,
am Brunnenrand des Abends
schwimmt ein Rosenblatt.
Und der verlassen geht und redet
vor sich hin, der Hinkende,
ihm glitzert Tau im wirren Haar,
den Hauch der Nacht ihm zugeweht.
Dir aber, Dichter, quillt im Moos
des Schlafs ein scheuer Glanz,
und beugst du dich zum Trunk herab,
dunkelt er und du erwachst.
Der Enzian
Ja, es genügt, dem schmalen Pfad zu folgen,
und schwindelt es uns auch am jähen Hang,
will auch uns Schwankende zur Tiefe reißen,
was wie aus Nächten klagt, das dunkle Brausen.
Doch hält uns ja einander Blick um Blick,
daß wir Gestirne hinter Nebeln ahnen.
Ist nicht, was Anmut schmiegt um deine Locken,
Liebe, aus blauen Abgrunds Geist ein Hauch,
und fühlt sich deine Schläfe nicht geküßt,
wenn dir von Zweigen rinnt des Himmels Tau?
Doch ist der Gipfel fern, wenn schon ein Glänzen
von Kristallen ins Genist des Schlafes fiel.
Wir stehen auf und schütteln ab den Glitter,
und hören wir sie aus dem Tale rufen,
der ferngerückten Heimat Zwillingsglocken,
quält wieder uns der Augen grauer Durst,
zu stillen sich am Blau des Enzians.
Doch nicht nur wir sind fast am Staub des Worts
erstickt, verschmachtet fast am Schaum des Bilds,
wir suchen sie, die Wunderblume, nicht
für uns allein, vorm Tore sprach der Engel,
die jetzt im Tal noch schlafen, wachen auf,
strömt ihnen, was an holdem Duft wir bringen.
So, Liebe, scheuen wir die Dornen nicht,
und der uns streift im Todesfluge, lautlos,
der Eule nachtgetränkten Fittich kaum.
Und lädt uns auch das weiche Moos, lockt Zwitschern,
in Träumen zu verweilen, wir steigen, steigen,
bis uns der harsche Schnee, der ewige,
entgegenleuchtet, droben, wo Silber klirrt,
der Erde Stirne furcht ein schwarzer Wind.
Und riefest du: „Dort schimmert sie, o dort!“
und gingest hin, mit deiner zarten Hand,
den Enzian zu pflücken, ich aber läge,
ermattet vor dem hohen Ziel, voll Liebe
rief ich dir nach: „Du tu das Werk, mich aber
laß ruhen hier im dunklen Glanz der Höhe,
entschlummern lasse mich, laß mich im Rauschen
des Flügels, der aus Wolken niederweht.“
Milde Schauer
Seufzer sind nur schwer zu lesen –
wie der Atem einer Eiche,
wie das Flüstern dunkler Teiche
haben sie kein festes Wesen.
Verse ranken über Mauern –
wie an lichten Gittern
feuchte Rosen zittern,
öffnen sie sich milden Schauern.
Küsse kleben nicht an Zungen –
wie versprühte Pollen,
die zum Fruchtkelch wollen,
sind sie schon ins Herz gedrungen.
Herzen schlagen nicht im Leeren –
wie der einen Glocke Schwingen
andre mag zum Schwingen bringen,
wollen sie den Abgrund queren.
O Frucht, die uns geleuchtet
Und kann uns nicht mehr tragen
wie weiße Blütenkronen
ein dichterisches Sagen,
welkt hin das Herz, verwittert
in stummen Todeszonen.
O Blüte, wie sie zittert.
Und können uns nicht weisen,
wo fern die Ströme blauen,
der Dichtung lichte Schneisen,
verwildert uns und dunkelt
die Schrift der Uferauen.
O Ferne, wie sie funkelt.
Und können wir nicht pflücken
in Dichters Paradiesen
die Trauben, die entrücken,
wie glänzt, vom Mond befeuchtet,
der Gram auf harten Fliesen.
O Frucht, die uns geleuchtet.
Und kann uns nicht mehr zeigen,
wo sich die Rosen winden,
bacchantisch wilder Reigen,
laßt uns, ins Gras gebettet,
wie Tau ins Dunkel schwinden.
O Duft, der uns gerettet.
Ausgelöschte Kerzen
Mit „Lebe wohl!“ scheint alles ja gesagt.
Es schwemmt schon eine schlammige Welle
den trunkenen Schimmer von des Festes Schwelle.
Zu tief das Dunkel, als daß man harrt und klagt.
Sie haben, Prunkende, sich Kerzen angezündet,
und in ihr Flackern flüsterten geflammte Blüten,
es blieb kein treues Herz, den Glanz zu hüten,
den Honig, der in Bitternis gemündet.
Und seufzte Abendrot im laubichten Gang,
ertönten Glocken verschollen wie aus Maaren,
es blieb kein holdes Herz, den Ruf zu wahren,
der wie ein schmerzlicher Kristall verklang.
„Adieu!“ und aller Atem scheint versiegt,
zerstreut die Blüten, ausgelöscht die Kerzen,
Wem geht das leise Winseln noch zu Herzen
des kleines Hunds, der vor der Türe liegt?
Die schöne Form
Mögen sie dir ihre Meinung geigen,
du hülle, Dichter, dich in Schweigen.
*
Die Blumen welkten an dem wüsten Ort,
ihr Hauch, er haftet noch am Dichterwort.
*
Der Denker hat die Wahrheit nur als Frage,
dem Dichter glänzt sie fern in goldner Sage.
*
Wie eine Mücke eingeschlossen in den Stein
schläft uns ein dunkles Rätsel im Gemüt.
Ein Dichter fühlt, erweckt von goldnem Wein,
wie es in seinen Versen summt und glüht.
*
Die zarten Muster im Gedicht-Gewebe
sind einer Blumenseele Ornament,
und daß der Morgenhauch es sanft erhebe,
gefleckter Flügel dünnes Pergament.
*
Sie waren Hirten, die am Feuer saßen,
ein süßer Hauch war ihres Mundes Blume,
Vaganten zogen sie die Heeresstraßen,
und Psalmen sangen sie vorm Heiligtume.
Sie wurden unterm Rauschen der Motoren
zu Schreibmaschinen, die das Maß verloren.
*
Die schöne Form – vom Brunnenmund
der Tropfen holdes Niederfunkeln
in einer zweiten Schale Rund,
wo Schaum an Schaum sie sich verzehren,
zur dritten, wo im Moos sie dunkeln –
sie wird dem Vers sein Glück nicht wehren.
Leg dich ins Gras
Im Laub der Dämmerung zu sehen
geheime Funken niederwehen
sei deinem wilden Weh genug.
Geliebte Schatten, die dir winken,
und die aus späten Kelchen trinken,
des Eros Falter sind schon Trug.
Versinken dir die frühen Klänge
im Dickicht dunkler Abschiedsgänge,
tönt Abendrot wie zartes Glas.
Geht zögernder der Schattenweiser,
klopft alter Sehnsucht Ader leiser,
verweile hier, leg dich ins Gras.
Zwielicht-Terzinen
So müssen wir im Zwielicht Wege bahnen
durch Brachen blumenlos und Furchen grau,
und unter Tränen nur in Dünsten ahnen
der fernen Ströme ausgerauschtes Blau.
Uns ist, als wehten Seelen in den Winden
und sprühten Geister kühlen Abschiedstau,
als könnten wir den Heimweg nicht mehr finden,
der Hoffnung Lampe hinter warmen Scheiben.
Uns scheint der Liebe Auge zu erblinden,
ein Teich, wo toten Mondes Blüten treiben,
duftlose, die sich zu blassen Schäumen ballen,
sie küssen sich und müssen einsam bleiben.
Und was wir sagen, ist wie trunknes Fallen
von schweren Tropfen auf die Stirn der Nacht,
sind Flügelschläge, die im Flug verhallen –
im Fluge, der die Ferne endlos macht.
Was die Zeilen füllt
Eines Somnambulen Gang,
Tau im Haar, der Nacht entquollen.
Was dem Brunnenmund entsprang,
war im Herzen schon verschollen.
Aus den Ritzen im Asphalt
drängt der Halm, das Licht zu grüßen.
Ist der Geist noch ungestalt,
Falter blauen, Verse fließen.
Zwitschern im Holunderstrauch,
aus dem schwanken Nest gestiegen,
Funken hat die Liebe auch,
wenn die hellen Käfer fliegen.
Sehen wir, wie niederflockt
Asche aus verkohlten Himmeln,
wissen wir doch, es entlockt
Fäulnisodem buntes Wimmeln.
Mag mit seinem weißen Tuch
Schnee die scheue Spur verhüllen,
schließt der Schlaf uns auch das Buch,
Traum, er wird die Zeilen füllen.
Stimmen einer hellen Nacht
Rotes Blatt,
vom Zweig getaumelt,
fortgesprochen
von der Dunkelheit,
als ob ihr glühte
noch ein kleines Herz.
Weicher Tau,
herabgeperlt
vom Blütenmund
zum dunklen Schoß,
als hellte ihn
ein Seufzen auf.
Grauer Flaum,
aufs Fenstersims geweht,
als brüteten,
im Traum geschaukelt,
warme Nester
noch ein Zwitschern aus.
Bergkristall,
dem Schnee gepaart,
als lösten Stimmen
einer hellen Nacht
den kalten Schmerz
in Funken auf.
Rosen blendeten zu sehr
Der stummen Halme Schattenheer,
der Wicken träumerisches Beben,
und Trauben, dunkelnde, an Reben –
Rosen blendeten zu sehr.
Grau-blau geschecktes Himmelsfell,
und denen Blumenlippen lallen,
Tropfen, die auf Blüten fallen –
Schaum des Monds war schon zu grell.
Des schwarzen Wassers Jaspisglanz,
wenn Abendlüfte müder streichen,
wie Schwanenflaum die Lilien bleichen –
Wunden stach der Strahlenkranz.
Wir sinken ohne Wiederkehr,
die aus bemoostem Borne quollen,
die Wundersagen sind verschollen –
Hauch der Nacht erstickte Teer.
Kleines Welttheater
Der eine rollt gepeitscht, kaum daß es tagt,
und was er von sich gibt, ist wie das Pfeifen
des Schlauchs, worin ein böser Nagel nagt.
Und jener kann nur ungebunden schweifen,
ihm haftet wohl an Sohlen Korn und Samen,
doch mag kein Bildnis ihm im Vagen reifen.
Kein Azur lockt, die aus den Wettern kamen
und sich in dämmerfeuchten Höhlen ducken,
kein Stern ruft mehr die bangen Wunderlahmen.
Andre schwirren schon beim leisen Zucken
des Morgenrots wie ausgesprühte Pollen
in Fernen, wo sie Blumenzungen schlucken.
Manche, denen Eros zwinkert, schmollen,
sie stechen sich mit Dornen und sie schütten
den Wein aus Kelchen, kauen bittre Knollen.
Die hausen namenlos in Gartenhütten,
sie trinken Most und abends kühlen Hauch,
und achten Schnösel sie für Troglodyten,
aus ihrem blauem Krug trinkt Orpheus auch.
Unterm Laub der Dämmerung
Wir lagen unterm Laub der Dämmerung,
dein Mund das Siegel, das mein Mund geküßt.
Es brach ein wenig auf, in leisem Sprung,
ein Murmeln quoll hervor, süß und trist.
Und küßte ich, das zitterte, dein Lid,
hat ihren feuchten Glanz die Nacht gezeigt,
das scheue Rinnsal, das mein Mund vermied,
hat sich, o Strom, in meiner Brust verzweigt.
Was wir uns sagten, pflückte Abendhauch,
wie Blütenblätter eines Mädchens Hand,
das zählt und seufzt: „Liebt er mich auch?“
Mein lautes Schweigen hat es dir bekannt.
Und als du eiltest, fiel auf mich dein Schal,
ich lag getroffen wie von einem Hieb,
stumm war die Luft, die Wolken hingen fahl,
das Murmeln aber dunkelte und blieb.
Abends allein
Das trunkne Bauschen der Gardine,
des Lichtes Seufzer streicht sie glatt.
Die zweifelnd weilen, Abendwolken,
ins Wasser schäumt ihr Perlmutt matt.
Des Amseltons Oboen-Strömen,
wie müde macht das süße Lied.
Dort unterm Kissen lag die Spange,
so zwackte zart Abwesenheit.
Die Zwiebel- und Kartoffelschalen,
sie aufzufegen tat dir leid.
Der Veilchen dunkelblaue Augen,
der weiche Hauch, wie macht er müd.
Hier unter ächzenden Hämmern
Hier unter ächzenden Hämmern
krümmte ich mich und vergaß,
wo fern in laubichtem Dämmern
Anmut verlieh uns ein Maß.
Nachtwind zerstob all die Sagen,
als sich die Blüte verschloß,
Pollen, o fliegt zu den Tagen,
da sich der Lichtkelch ergoß.
Dort, wo die Augen noch feuchtet
Sang, der die Schneise uns zieht
tief in das Dunkel, daß leuchtet
voller der Mond durch das Ried.
Kann ich dorthin auch nicht finden,
Seele, sie starrt wie entlaubt,
Kinder, sie kommen, sie winden,
leicht mir den Efeu ums Haupt.
In die Nachtluft gefragt
Der Heimat Glockenton versinkt
ins Rauschen eines fremden Stroms.
Der Schatten dort im Dämmerschilf,
bist du es, Liebe, die mir winkt?
Die Weide zittert noch im Licht,
doch ihre Wurzeln saugen Nacht.
Wer schüttelt mir den Schlaf vom Blatt,
das Silber auf die Brache Stirn?
Ein Tropfen in der Muschel, Zeit,
so ward mein Perlmutt milchig-matt.
Knirscht nicht der Ufersand im Traum,
wer bückte sich und hob sie auf?
Vom Wind gesät erblühte Schaum
und blaßt im Mondesschatten fahl.
Quillt schon wie Tau vom Blütensaum
der Schmerz ins stille Moos hinab?
Die vergessene Kiste
In grünes Packpapier gewickelt, Puppen
des kindlich-frommen Spieles, eingesargt
in einer Kiste unterm Dach, im Schuppen,
so lange schon. Daß keiner nach euch fragt!
Der Ochs ruht bei dem Esel, an die Hirten
das Lamm, das Schaf sich traulich schmiegt,
das leuchtete, daß sie sich nicht verirrten,
des Sternes Gold hat dunkles Vlies besiegt.
Und fragst du nach dem Gnadenkinde,
es reckt ins Dunkel hin die Segenshand,
daß bange Kreatur noch Milde finde,
hat eine Maus die Nacht zu ihm gesandt.
O geistbehauchte edle Wunderrose,
Mariens keusche Wange aber blaßt,
das Licht der Lilie sank ins Bodenlose,
als hätte allen Duft das Holz verpraßt.
Den Engeln aber, die das Loblied sangen,
hat Staub und Scham den Mund verstopft,
den Weisen sind die Gaben ausgegangen,
der Andacht süßer Honig ist vertropft.
Schon fallen auf die Schindeln weiche Flocken,
doch die Figuren wickelt keine Seele aus,
zu keiner Mette rufen weihnachtliche Glocken,
des Engels Flügel birgt die tote Maus.
À part
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Motto nach vierzig Jahren pädagogischer und medialer Dressur zu Toleranz und Fremdenfreundlichkeit: Du sollst deinen Nächsten hassen wie dich selbst.
*
Die Rache eines gewissen hinkenden, brüllenden und zeugungswütigen deutschen Scheusals: Ein vulgärer, dabei nicht einmal ungebildeter Gettojude mistet den Literaturbetrieb der Gojim von der Jauche und dem Dung des Abgestandenen und Reaktionären, alles Goethisch-Hölderlinisch-Rilkehaften aus.
*
Ein Muskel allein kann nichts machen (oder lachen).
*
Ein sentimentaler Pseudo-Büßer und Wanderprediger ersteht auf dem Trödel in Kazimierz eine Kippa und würzt seine Vorträge fortan mit einem Mauscheln, das unbeleckte Ohren für jiddische Brocken halten.
*
Journalisten: Parasiten fremden Unglücks.
*
Während sie sich lässig auf die Brüstung der Medienloge lehnen, malen sich geheucheltes Entsetzen und gekonnte Empörung auf den Gesichtern der Voyeure, die sich am blutrünstigen Schauspiel mit dem Titel „Gog und Magog wider den Heilsbringer“ delektieren.
*
Mit frühem Rilke gepudert, elegisch überzuckert: sentimentaler Brei für zahnlose Greise.
*
Lieber der von Knut Hamsun ausstrahlende kalte Schauer, der scharfe Pfiff eines Emil Cioran oder gar der Faustschlag eines Louis-Ferdinand Céline als das faulig-betäubende Blumenwasser der Dame Dichterin.
*
Kehren wir also zu den Vorsokratikern zurück und formen Verse aus Lehm und Spucke, Sperma und Licht, Feuer und Eis, Schaum und Perlmutt.
*
Was wir meinen, wenn wir etwas sagen, ist eben das, was wir sagen, nicht, was wir uns dabei denken; es sei denn Schweigen wäre ausdrucksvoll genug.
*
Die Kleingeister und die Fanatiker, beide hängen fixen Ideen an.
*
Manche meinen: Wir wissen, daß wir allein sind; daher der Glaube an Götter. – Auch die schrecklichen, auch die Dämonen seien der Leere vorzuziehen, da sie den Erschrockenen mit Pathos und Bedeutungsschwere beladen.
*
Allzu viele Erlebnisse, Ausflüge und Affären zermürben den Charakter. Mancher reift aufgrund von Erfahrungsarmut.
*
Mitleid, das sich ausstellt und nicht sich in verborgenen Werken entäußert, ist eine Form der Herabwürdigung.
*
Der Gedanke ist kein Schatten des Gedachten. – Die Erinnerung ist kein Echo des Erlebten. – Die Erwartung keine Treppe, die schon knarrt, als wäre der Erwartete im Anmarsch.
*
Horaz unterläuft – monumentum aere perennius – die verräterische Transfiguration dessen, was von der Flüchtigkeit des Hauches ist, des Gedichts, ins ihm ganz fremde Element der erzgegossenen Plastik. – Hier soufflierte – non omnis moriar – der Tod. – Doch auch wenn schon lange der Pontifex nicht mehr gemeinsam mit der tacita virgo die Stufen zum Kapitol hinanschreitet, blieb ihm der Lorbeer, den ihm Melpomene einst wand. Der Lorbeer freilich ist aus anderem Stoff als Erz.
*
Gedicht: Wort, in dem das Gegen-Wort schon mitklingt; wie mit der angeschlagenen Saite die sich ins Geisterhafte verlierenden Obertöne; wie bei der Klaviersonate in der Zweitstimme der linken Hand die dunkle Welle anschwillt, auf der die flüchtige Blüte des von der rechten vorgebrachten Themas fortgetragen wird.
*
Woran wir uns erinnern, woran wir denken, was wir erwarten, ist nicht der Gegenstand unserer Erinnerung, unseres Gedankens, unserer Erwartung; wir erinnern uns nicht an den Park, in dem wir gestern spazieren gingen, sondern daran, daß wir gestern im Park spazieren gingen; nicht die Dämmerung ist das, woran wir gerade denken, sondern daß es nun Abend und dunkel wird; nicht der Freund ist der Gegenstand unserer Erwartung (oder Befürchtung), sondern die mögliche Tatsache, daß er bald kommt (oder auch nicht kommt).
*
Nicht Gegenstände, sondern Sachverhalte, die wir im Deutschen mittels der Konstruktion eines von einem mentalen Verb wie „sich erinnern“, „an etwas denken“ und „etwas erwarten“ abhängigen daß-Satzes oder einer indirekten Aussage ausdrücken, sind die eigentlichen Inhalte unserer geistigen Tätigkeit.
*
Wir können uns nicht in dem Sinne selbst belügen, wie wir unseren Freund belügen; denn wenn wir lügen, wissen wir um den wahren Sachverhalt. – Was ist es aber für eine Form des Selbstbetrugs, der uns das krumme Holz, aus dem wir geschnitzt sind, als eleganten, in gotische Himmel ragenden Pfeiler ansehen oder anpreisen läßt?
*
Wir können nicht beides, erwarten, daß der Freund kommt, und erwarten, daß er nicht kommt; hier müssen wir den Widerspruch meiden. Aber wir können hoffen, daß entgegen all dem, was wir von des Freundes Unzuverlässigkeit und aus bisheriger enttäuschender Erfahrung mit ihm wissen, er doch noch kommt.
*
Im Gedicht freilich können wir etwas sagen und im nächsten Vers einschränken oder zurücknehmen; ja, sagen, daß wir lieben und zugleich hassen; daß das Leben sublim wie eine Rosa mystica duftet und zugleich stinkt wie ein widerwärtiger Haufen Dung; daß der zarte Purpur des Abends uns die Dinge verklärt und zugleich sich in ihm die Finsternis ankündigt, die alles entstellt, zerreißt, vernichtet.
*
Die Riten, Gewohnheiten und abgenutzten Floskeln des Alltags binden uns zurück an kaum mehr ins Bewußtsein fallende Institutionen, die uns einigermaßen sicher wie Planken über das Moor des Ungewissen gehen lassen, wie die Arbeit, die Freundschaft, das vertraulich-intime Gespräch oder die sachlich-professionelle Unterredung. Doch dann geschieht es, daß wir stutzen, wie einer, der einen Handschuh überstreifen will, der ihm nicht paßt (oder den linken über die rechte Hand); das Vertraute schaut uns abwesend oder mit diabolischem Lächeln an, die Riten laufen leer wie Räder in der Luft, die Gesten scheinen uns groteske Mechaniken eines Puppenspiels, dessen Regeln wir nicht kennen und dessen Dramaturgie von feindseligen Mächten dirigiert wird, die Worte dünken uns Schalen ohne Kern oder wurmstichige Früchte. Welche Wahrheit diese erschütternde Erfahrung hat, ist nicht immer klar, ihr ist kein Kriterien des Wahren oder Falschen auf die Stirn geschrieben: Ist sie, was Heidegger als Erfahrung der Angst und entscheidendes Existential beschreibt oder der Psychiater als Einbruch der Psychose?
*
Plötzlich sind wir keine Akteure im großen Welttheater mehr, sondern reden, aber konfus, hart an den Bühnenrand getreten beiseite, à part, teils weil wir nicht wollen, daß die anderen mitbekommen, daß wir halb schon ausgestiegen sind, ja unseren Text, unsere Rolle vergessen haben, teils weil unsere Verlautbarungen schon in die Flüche, Derbheiten und Wortexzesse der klassischen Komödie auszuarten beginnen.
*
Plötzlich merken wir, daß alles schwankt, wir selbst, was wir fühlen, was wir denken, was wir sagen, als trügen uns die heiklen Planken eines alten Seglers, der uns, wir wissen nicht wie, in die grenzenlose Wüste des Ozeans verbracht hat.
*
Wir können das windige Element aus unserer Existenz nicht wie einen Abszess unter der Haut herausoperieren; dieser Abszess dient mittlerweile schon unserer elementaren Blutversorgung.
*
Wir können auch sagen, wir tauchen in ein anderes Licht, eine andere Atmosphäre ein; so wie wir in der Kippfigur plötzlich statt der Ente den Hasen sehen; so wie die kleine Neckerei wider Erwarten in einen ernsthaften Streit ausgeartet ist; oder wie der Albatros, der eben noch majestätisch im blauen Abgrund schwebte, nun, auf dem Vordeck des Schiffs, von den rüden Matrosen gefoppt, seine großen Flügel wie Trauerschleppen ungelenk durch den Kehricht zieht.
*
Die Bedeutung des Kunstwerks und des Gedichts erfassen wir eher als am dargestellten Sujet an der Art der Beleuchtung, die ihm Prägnanz oder Clair-Obscure, köstliche Schimmer oder lastende Schatten verleiht.
*
Gewiß, ja ist nicht nein; doch ein Lächeln, ein Duft, ein feuchter Schimmer unter halbgeschlossenen Augenlidern kann für den heillos Verliebten die schlüpfrige Schwelle ins Verderben sein.
Embleme dichterischen Worts
Wort, durchschimmernde Meduse,
wildes Herz, das lichtwärts zuckt
durch das grüne Meer der Muse,
die mit Rauschen dich umgluckt.
Blumenwort, dein Sinn ist Stille,
aufgetan dem Stern der Nacht
zittert dir an weicher Hülle
Tau, der uns noch Glanz gebracht.
Silberfaden, schlafentsponnen,
wehst du hin am dunklen Blatt,
Augen werden dir zu Sonnen,
zwischen Herzen bist du Naht.
Deiner Hostie sanftes Glimmen
in der Seelendunkelheit
will auf frommen Zungen schwimmen,
lösen sich in Heiterkeit.
Pollenflug
So fliegen Dichterwortes Pollen,
die keine Blüte sich hier fanden,
zu den homerischen Atollen,
wo Hexen häuten, die dort stranden.
Da küssen sie die feuchten Narben,
des grünen Schoßes Fühlorgane,
daß nachts er glänzt in Wunderfarben,
ein Spiegelbild der Ozeane.
Schon keimt es Frucht und Beeren,
wo Tränen Traum an Traum entquillen,
als würde Angst das Mark verzehren
und Pech der Pflanze Adern füllen.
Die blauen Vögel aber picken
das rosa Fleisch, die Sonnenkerne,
durch ihr Gefieder strahlt Entzücken,
in ihren Kehlen schluchzt die Ferne.
Dichters Maiandacht
Muß vor dir, du Wunderrose,
blassen auch mein Reim,
fällt er wie ein Pollen lose
deinem Schoß anheim.
Verse, noch vom Schlaf befangen,
weckt mir auf dein Hauch,
Lerchen, die ins Blaue drangen,
zwitschern wild sie auch.
Lilienknospe lichtentsprungen,
öffne dich mir mild,
ist der Duft erst eingedrungen,
Wort, es strömt und quillt.
Kelch der Abendröte, Rose,
gießt du mir dein Blut
in die Nacht, die namenlose,
Vers, er hat noch Glut.
Das Dunkel spricht
Was du auch sagst,
das Dunkel spricht.
Schlaftrunken Falter
sinkt mit dem Licht.
Dort leiht die Muschel
noch zarte Schimmer.
Perlmutt verschluckt
das Meer für immer.
Was du berührst,
ertaubt von Schatten.
Kaum angehaucht
will es ermatten.
Der Iris Gruß,
er gilt dir nicht.
Was du auch sagst,
das Dunkel spricht.
Am Grab des Dichters
Laßt uns zum Grab des Dichters gehen.
Wir wischen ab den Staub vom Stein.
Wir wollen mit der Flamme flehen,
daß Liebe uns noch leuchte ein.
Wir pflanzen Veilchen, weiße Nelken,
begießen den Wacholderstrauch.
Um Blüten aber, die nicht welken,
laßt beten uns im Stillen auch.
Gebein und Mark, sie sind vermodert,
der Schmelz der Zunge Wurmes Fraß.
Doch blieb dein Vers, der abends lodert
wie Ginster zwischen wildem Gras.
So fasse uns vorm Grab kein Grausen,
es schöpft noch Odem dein Gedicht
von hohen Himmels blauem Sausen
und lebt von unsrer Liebe Licht.
Malvenduft
Vom Monde rinnt ein grünes Schäumen
in deines Duldens Dunkelschacht.
Du hast nichts zu versäumen.
O Malvenduft der Frühlingsnacht.
An Blütenwimpern glimmt das Zagen,
bevor ins Moos der Tropfen quillt.
Es bleibt dir nichts zu sagen.
Der Tränen Kelch hat sich gefüllt.
Ein Glockenton aus blauen Höhen
hat Kühlung deinem Blut gebracht.
Du mußt nicht weitergehen.
O Malvenduft der Frühlingsnacht.
Hier unterm Kreuz
Als tröste noch, was leise streift
Wange, Schläfe oder Locke,
Blatt, wie Pergament gereift,
betauten Hauches Gaze, Flocke.
Vom Tag der Duft, vom Duft die Nacht,
Blütendämmerung auf Hügeln,
wo dir Leuchter angefacht,
um die vertraute Schatten flügeln.
Hier unterm Kreuz grünt noch ein Moos,
den vertanen Kelch zu bahren,
weinen fühl der Erde Schoß,
die Tränen mag er aufbewahren.
Dort beugt Holunder sich herab,
unter schwarzen Früchten schlafe,
weicher Humus wölbt dein Grab,
der Nachtwind schreibt dir Epitaphe.
Schwelle und Grenze
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Natürlich ist ein wesentlicher Grund des Hasses auf die Juden die Erhabenheit ihres Gottes, vor dem der Mensch jenes schwankende Rohr und bald dahinwelkende Gras ist, wovon der Prediger und Pascal sprechen.
Der Antisemit hat das Manna der Wüste zugunsten der Rückkehr zu den Fleischtöpfen unter der Knute des Pharaos verworfen.
Das Ressentiment, das den nunmehr wehrhaften Verteidigern von Eretz Israel entgegenschlägt, ist dasselbe, das den Antisemiten vom Chauvinismus des Alten Testaments schwadronieren läßt.
Eine vielleicht zu wenig beachtete Wurzel des Judenhasses reicht tief in den Boden des abendländischen Gnostizismus, der von den Katharern über die sozialrevolutionären Aufstände der Reformation und den religiösen Anarchismus der Russen bis zu Autoren wie Simone Weil und Emil Cioran reicht; in dieser teils zu extremer Askese, teils zu zynischer Libertinage neigenden Weltauffassung wird das in der Genesis evozierte Schöpfungswerk als Tat eines bösen Dämons verunglimpft, der jüdische Gott als seine Maske entlarvt.
Daß er ihnen Land verhieß, ja ein gesegnetes, wo Milch und Honig fließt, nimmt man dem als Rache- und Kriegerdämon denunzierten Gott der Juden besonders übel.
Die radikale Aufklärung ist auch eine Frucht des Antisemitismus; sie predigt die totale Emanzipation, doch nach den Lehren des AT bleibt der Mensch Knecht, Mündel, Hörer Gottes.
So auch der weltanschauliche Kitsch der Verklärung des Matriarchats und der Frauenemanzipation; was sind die Mänaden und Amazonen gegen die Würde der großen Frauen, einer Sara, Ruth oder Esther, des AT.
Das rituelle Leben ist dem aufgeklärten Kleingeist ein entsetzliches Ärgernis.
Der sich in Verachtung kleidende Neid auf die Erwählung, sei es des Gottesvolkes, sei es des musisch Inspirierten.
Der heillos Verstrickte und jener, dem kein Stern der Erlösung die Nacht überhöht, mißgönnen natürlicherweise dem Volk den Segen, den seine Propheten empfingen, der Kirche das Heil und die Rettung, die ihre Priester in den geweihten Mitteln geistlicher Wegzehrung und den anderen Sakramenten darreichen.
Wenn wir die Welt und uns selbst mehr und mehr so sehen und wahrhaben, wie es uns die großen oder doch medial verbreiteten Werke der Künstler und Musiker offenbaren, dann wehe uns bei all den verdrehten und ausgerissenen Gliedmaßen, den ausgebrannten Augenhöhlen, den zerquetschten und zerschnittenen Gesichtern, dem unter Ruß- und Ascheschichten eiternden Purpur, dem mit schwarzen Warzen überzogenen Dottergelb, bei all den zersägten und gesplitterten Violinen, dem geplatzten Wanst des Blechs und der unter der Finsternis des Flügels verborgenen Höllenmaschine.
Daß Prosaisten nicht mehr erzählen, sondern essayistisch aus dem Munde ihrer Protagonisten sich ergehen, ist nicht ein Zeichen theoretischer Kraft, sondern narrativer Impotenz.
Obwohl der Popanz an Theorie über die Selbstbefangenheit des Subjekts und seine Auflösung in zeitlichen Schichten, den er seinem Protagonisten in den Mund legt, wurmstichig und soweit von Bergson entliehen nicht haltbar ist, kann man gewiß Proust schriftstellerisches Genie nicht absprechen; dennoch leidet auch er an einem Mittelmaß der Weltauffassung, die wie ein schwefliger Dunst seine Seiten vergilbt oder wie ein abgestandenes Parfum seine Salons durchzieht; mag man sie auch gerne kennerhaft als dämonisch überhöhen, sie zeugt in Wahrheit vom dekadenten Geschmack an Verfall und Verdorbenheit, Hinfälligkeit und Perversion.
Die natürliche Entsprechung zum erwählten Volk und der allein selig machenden Kirche ist das davidische Königtum und das Gottesgnadentum der Monarchie.
So steht Jesus als der Gesalbte in der Ahnenreihe von König David.
David und der Psalter. Doch Jesus, der Sänger? – Das mußte die Passion durchkreuzen.
Wie kam das Christentum zur Musik oder wie wurde die abendländische Musik getauft? Zunächst durch die Leihgabe des Synagogengesangs, dann durch die Christianisierung der im Kaiserkult üblichen hymnischen Anrufungen des Herrschers, die nun, eine Erbe des Ostens, dem Christus Pankrator galten.
Das Singuläre an der christlichen Musik ist das Singuläre seiner Liturgie: die Mischung von hohem Ton und Volkstümlichkeit, so daß die Feste ihren je eigentümlichen musikalischen Ausdruck und ihre individuelle Sangesweise erhielten.
Der Individualcharakter christlicher Sangesweise geht auf die Erfindung des Reims in den Hymnen des Ambrosius zurück.
Was ist deutsch an großer deutscher Dichtung? Die Innigkeit.
Goethe charakterisiert die Musik Beethovens durch Innigkeit, neben den bestimmenden Mächten der Energie und Konzentriertheit („inniger, energischer und zusammengeraffter“ als seine Musik habe er keine andere empfunden).
Die Zeit ist nichts rein Subjektives. Der Tod markiert objektiv das Ende einer Biographie. Doch kann er kein intentionaler Inhalt des subjektiven Bewußtseins werden, denn wie Wittgenstein sagt: „Der Tod ist kein Teil des Lebens.“
Wir können von den letzten Werken Mozarts oder Beethovens reden, weil ihr Tod, der die Werkreihe abgeschlossen hat, uns als objektives Datum bekannt ist. Aber die letzten Werke Mozarts oder Beethovens waren nicht die letzten Werke FÜR die Komponisten.
Die als berüchtigt-enigmatisch notierten letzten Worte bedeutender Personen, waren sie für sie selbst gleichsam Voces mortis?
Wir erreichen die Grenze des Sagbaren, die Grenze der Sprache, nicht, und würden wir sie erreichen, wir wüßten es nicht. Die Grenze bildet für uns jene semantische Form, die wir nur erfüllen (oder verfehlen), aber nicht gleichsam von außen betrachten und beschreiben können.
Keine Geste kann die Quintessenz aller vorausgegangenen Gesten enthalten.
Die letzte Spielanweisung beendet das Spiel, aber sie enthält nicht die Quintessenz des Spiels.
Wir wissen, was jenseits der Schwelle unseres Hauses liegt; nicht, was jenseits der Grenze des Sagbaren liegt.
Eine Reihe von Selbstporträts mag je nach seelischer Beleuchtung Wesenszüge des Dargestellten gleichsam durchdeklinieren; aber alle Bilder aufeinandergelegt, böte sich uns nur ein trüb verschwommenes Grau in Grau.
Die Schwelle können wir überschreiten, die Grenze des Sag- und Denkbaren nur gleichsam von innen berühren.
Wir können nicht in der Luft gehen; ebensowenig im Unartikulierbaren reden und im Undifferenzierbaren denken.
Die Form, wie der Sonatensatz oder die Ode Sapphos und die Hymne Pindars, gibt uns die Struktur des Inhalts, gleichsam seinen Schatten.
Im Rahmen einer Situation sind nur bestimmte Handlungen und Sprechakte möglich.
Mit den ersten Takten einer Klaviersonate Mozarts, einer Sinfonie Beethovens sind wir in einer musikalischen Situation, das heißt einer Stimmung.
Die Diabelli-Variationen Beethovens breiten ein Panorama möglicher musikalischer Situationen und Stimmungen vor uns aus, vom Erhabenen bis zum Komischen, vom Profanen bis zum Mysteriösen. Die ersten Takte bilden gleichsam die Schwelle, über die wir in den Raum oder die Atmosphäre einer musikalischen Stimmung treten. Die ersten Takte der auf eine Diabelli-Variation folgenden Variation bilden die Grenze zwischen unterschiedlichen musikalischen Stimmungen. Die letzten Takte der 33. Diabelli-Variation, die das Ende der Reihe darstellt, bilden nicht nur ihre äußere, sondern auch ihre innere Grenze.
Im Anschluß an ein scheinbar triviales und belangloses Geplauder mit dem Nachbarn sieht der eine der Beteiligten das Gespräch in einem anderen gleichsam paranoid getrübten Licht; er fühlt sich ausgehorcht, durchmustert, entblößt.
Die nicht geschrieben haben, die Propheten und Jesus, schielten nicht auf eitle Wirkung und rhetorischen Effekt; daher die Wucht und Intensität des von ihnen Überlieferten.
Das Wort, nicht mehr nur Ausdruck, sondern Spur einer Verwundung, einer Verwerfung, ähnlich derjenigen urzeitlicher Gesteinsschichten, von seelischen Formationen.
Das Fremde und Befremdliche kann man durch Exotenkitsch harmlos und gefügig machen.
Die Griechen gönnten sich nach der Tragödie ein Satyrspiel; hier hat uns der Monotheismus verengt, versauert, verklemmt.
Immerhin kennt die eucharistische Liturgie neben dem ungesäuerten Brot auch den Wein; doch Dante hat den Dionysos in seine Hölle gesteckt.
Die pfingstlichen Zungen polyglotter Begeisterung waren Flammen, die lebendige Herzen verzehrten; an den Aschenflöckchen, die sich als Versgekringel aufs trockene Papier niederlassen, mag kein Brand sich entzünden.
Der tragische Kothurn ist das einfache, aber hoch wirksame dramaturgische Mittel, den Eindruck des Außeralltäglichen und Erhabenen zu erwecken.
Der Schritt ins Lächerliche; der Kothurn knickt ein.
Stefan George, der Übersetzer Baudelaires und Dantes, pflegte sich im alltäglichen Geplauder mit seinen Jüngern und Auserwählten in einem penetranten rheinfränkischen Dialekt zu ergehen.
Geschichte und Schicksal sind in Gestalten wie Alexander, ohne den die Kultur des Hellenismus von Ägypten bis zum Himalaya nicht entstanden wäre, und Cäsar, der immerhin die Heraufkunft der Romania ins Werk setzte, untrennbar verwoben. Dies läßt sich allerdings auch von den Agenten der Zerstörung ganzer Reiche und Kulturen sagen.
Der Streit um die Abgrenzung oder Assimilierung der westlichen Kultur ist so alt wie die Kiewer Rus und er endet nicht mit den Fehden zwischen den Westlern und Slawophilen, Turgenjew und Dostojewski oder dem Krieg um die Ukraine.
Wer Moskau in der Nachfolger von Byzanz sieht, kann die Legitimität einer eigenstaatlichen Ukraine natürlich nicht anerkennen. – Es gibt kein ARGUMENT gegen eine solche Haltung, sondern nur eine andere Haltung.
Freilich, Alexander und Cäsar vermochten nicht abzusehen und konnten demnach nicht beabsichtigen, daß ihr Lebenswerk sich in jenen großen historischen Linien verlängerte, die es tatsächlich nach sich zog.
Die Ironie der Geschichte spricht geradezu aus dem Verfehlen hochmögender Absichten im Verfolg ihrer Verwirklichung. – „Wenn du den Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören“, wie das Orakel dem Krösus prophezeite, nur daß es sein eigenes war.
Der Verliebte, der mittels und infolge überschwenglicher Liebesrhetorik die Angebetete in die Flucht schlägt.
Der Versuch der Wiedererweckung der antiken Götter, der bei Hölderlin auf den deutschen Parnaß hymnischer Gesänge gestiegen war, versandete im Kitsch des Jugendstils.
Verdunkelt sich das Licht des Schöpferworts, ermattet auch der Glaube an den Sinn der Geschichte, wirkt alles Menschheitspathos, selbst in der Neunten Beethovens, blechern und hohl.
Chlodwig konnte um die historischen Implikationen seiner Taufe in der Kathedrale von Reims nicht wissen. – Und dennoch, kein Racine, kein Ludwig XIV., kein Robespierre ohne diese Tat.
Geisterhauch
Blüten, die ins Dunkel wehen,
pflückt ein Geisterhauch.
Unter Schatten, die vorübergehen,
Liebe, gehst du auch.
All das Grüne wurde blasser,
als der Mond hinsank
auf das schwarze Wasser.
Wehglut, wie sie trank.
In der hohen Himmelsrose
Lied erstarb und Licht.
Welke Blätter wurden lose,
fielen auf dein Angesicht.
Und der Engel Flügel flockten,
Schnee auf Schnee gehäuft.
Die sich an der Stirne lockten,
Träume, taubeträuft.
Ferne, nah
Ferne, nah erschienen
in dem süßen Ton,
Summen kam von Bienen
eine Weile schon.
Antlitz, das geleuchtet
in das Fenster mild,
Schimmer, taubefeuchtet,
schmolz dahin das Bild.
Rosen, leises Schäumen
auf dem Wasser fahl,
aus verschwiegenen Räumen
schwebtest du, ein Schwan.
Und ich hörte weinen,
auf das Mal gelehnt,
von bemoosten Steinen,
Nacht, sie ist geströmt.
Malve, rosa Beben
in der Abendluft,
fade ist das Leben
ohne deinen Duft.
Versiegte Bronnen
Tage, die dumpf vorübergleiten,
fühllos fast, Gestalten gleich,
die durch matte Spiegel schreiten
in das Schattenreich.
Wie die Stunden sich verhauchen.
Blume, kaum ins Licht gedreht,
will der Schmerz ins Dunkel tauchen,
und ihr Duft verweht.
Und die Augen, die dir blauten,
da sie deinem Kuß sich aufgetan,
blicken unter Locken, die ergrauten,
entgeistert nun dich an.
Worte, Tau, hinabgeronnen
auf des weichen Mooses Stille,
o versiegte Bronnen,
erstarrt in Eises Hülle.
Das Brot des Lebens
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Mit schlotternden Knien, am Katheder festgekrallt, tönt er vom großen Menschheitsprojekt.
Seinen Marktwert steigert, wer was alle sagen, lauter, schriller, grimassierender verkündet, Individualität beweist, wer schweigend sich abwendet.
Von allen extravaganten, raffinierten Speisen gekostet, doch das einzig nährt, das Brot des Lebens war nicht darunter.
Du wachst auf, und links und rechts sind statt Häusern tiefe Trichter, in denen schon Gras und Schellkraut sprießen. Hast du den Krieg verschlafen? – Was soll’s, stiller ist es immerhin geworden und ungescheuter fliegen dir in dieser Öde die Tauben zu.
Im Nachbarhaus stellt, sobald die Dämmerung hereinbricht, ein junges Mädchen eine brennende Kerze ins Fenster. – Doch nicht für dich, nicht für dich.
Doch ratsamer wäre es, so zu tun, zu träumen oder sich einzubilden, als gelte jene huldvolle Geste dir allein.
Und doch die Zauberflöte, und doch Tristan und der Rosenkavalier; was soll man mehr sagen, wenn all der Weltenlärm uns anficht.
Zwischen all den Phrasen, ob nun sentimental überzuckerten Kuchen oder satirisch scharf gewürzten Schnitzeln, fand er das ungesäuerte Brot der Wahrheit nicht.
Doch etliche und unter ihnen bewunderte oder verleumdete Philosophen, meinen, vom Brot der Wahrheit allein könne man nicht leben; jedenfalls nicht Hinz und Kunz, die von der Zuckerwatte und den gebrannten Mandeln der Jahrmärkte nicht abzuhalten sind.
Andererseits erfahren wir, daß einseitige Diät das Denken zu einseitigen Deutungen verleitet.
Wer alles nach moralischen Maßstäben betrachtet und beurteilt, übersieht die dämonische Dimension des Daseins, Wollust, Perversion, Geisteskrankheit oder Krieg, bei denen die Moral immer zu spät kommt.
Der Meisterkoch hat es nicht nötig, seine Gerichte marktschreierisch anzupreisen.
Nennt man Kultur das Geschick, die Flamme zu zähmen, um das Rohe in das Gekochte zu verwandeln, könnte man mit nicht minderer Plausibilität Dichtung das Geschick nennen, die Rohkost alltäglichen Geredes unter kontrollierter Anwendung des Feuers der Imagination in die sublime Kost des Verses zu verwandeln.
Doch nehmen selbst Naive und Illiteraten in fallenden Tropfen das rhythmische Muster, in Wolken Gesichter und in der Urgewalt der Sonne ein Göttliches wahr.
Volk und Nation, das ist die Summe gemeinsamer Erinnerungen an schicksalhafte Ereignisse, wie die Taufe Chlodwigs in der Kathedrale von Reims oder das Fällen der Donareiche durch Bonifatius.
Der zugefügte Schmerz, der verwehrte Genuß und der Verlust sind Wegmarken der individuellen Lebensgeschichte.
Nicht der gewährte, sondern der erwartete, der ersehnte oder verwehrte Gute-Nacht-Kuß der Mutter ist die Gründungserinnerung des Werks von Marcel Proust.
Nichts verpflichtet denjenigen, der gleichsam nackt und ungeschützt sich eigener Erfahrung ausliefert, zu ihrer Deutung auf ein überkommenes Deutungsmuster zurückzugreifen, schon gar nicht, wenn es sich dabei um einen Allgemeinplatz der öffentlichen Meinung oder ein Schulbuchklischee handelt, die zu ignorieren oder gar zu desavouieren dem Missetäter den Ruf des geistig Zurückgebliebenen, des Hinterwäldlers und Reaktionärs einbringt.
Das Charisma ist der Blitz, gleich jenem, von dem Semele getroffen den Dionysos gebiert, Gott, welcher Rebe und Rausch, weibliche Ekstase und das tragische Opfer bringt. Schriftgelehrte und amtlich bestallte Künder und Deuter leiten ihn mit ihren dicken Schwarten in gefällige allegorische Interpretationen ab, die sich ad usum Delphini eignen.
Das Charisma ereignet sich außerhalb der glatten Lebensverläufe von Alltagsbegegnungen, Karrieren oder Reisen; auch der scheinbar Unwürdige, ja Verworfene kann, wie der Heilige Dostojewskis, seiner teilhaft werden.
Das Charisma der Dichtung ist kein Kondensat der persönlichen Erlebnisse des Dichters, sondern eine zum biographischen Zeitverlauf gleichsam senkrecht stehende und ihn durchkreuzende Linie intensiver Vergegenwärtigung; deshalb erscheint sein Träger dem männlichen Dichter oft als schönes junges Mädchen, wie Beatrice dem Dante.
Beatrice, die Allegorie des danteschen Charismas.
Wir fragen nach der Bedeutung eines Begriffs, eines Wortes, eines Satzes, nur wenn wir auf einen Grundbestand fragloser Bedeutungen zurückgreifen können. Meist können wir die fragliche Bedeutung mittels Umschreibung oder Definition vorausgesetzter Begriffe ableiten oder bestimmen. Ein echtes Hapax legomenon gibt es in der Wortsprache nicht.
Auf Moses folgt Aaron, auf den Propheten der Priester, auf Hölderlin der Professor.
Am Sexus gewahrt man sowohl die animalische Natur des Menschen, Zeugung, Schwangerschaft und Geburt, als auch seine prekäre Stellung unter den Tieren, ungezügelte Begierde, Triebhaftigkeit, Perversion.
An den Organen sehen wir die animalische Herkunft; aber an der eigentümlichen Bildung von Hand und Fuß, Wirbelsäule und Becken, den Windungen des Gehirns die „Sonderstellung“ in der Tierreihe.
Wir sehen nicht nur die reife Frucht, sondern die Möglichkeit ihrer genetischen Manipulation.
Die Weidetiere sehen das Nahbild vertilgbarer Kräuter, wir die Tiere, die Weide, die blühende Wiese und die in der Ferne ragenden schneebedeckten Gipfel als Genrebild.
Das Untier Mensch siedelt überall, dringt in den Mikrokosmos und den Makrokosmos ein, will alles in Besitz und Beschlag nehmen, doch findet an und in sich selber keinen Halt.
Nach Bestäubung und Reifung folgt die Weitergabe des Kerns in der Frucht; nach der Belehrung und wenn es hochkommt der Meisterschaft folgen der Stillstand in Routinen und der geistige Verfall.
Archetyp: der da aufrecht die Pfade begeht und Beeren und Früchte in die umgehängte Felltasche sammelt; und jene, die aus dem Supermarkt kommen, mit ihren prall gefüllten Beuteln.
Der naturgeschichtliche Fortschritt, der über den Rahmen der Geschichte hinausführt: vom Tier über das Untier zum Übertier; die unter eugenischer Aufsicht erfolgte künstliche Befruchtung, hernach die Implantation von Schaltkreisen ins Gehirn, die das soziale Verhalten und die Gesinnung regulieren.
Die ins Gehirn implantierten Schaltkreise kommunizieren unmittelbar über elektromagnetische Wellen miteinander und gewissen algorithmisch gefütterten staatlichen Befehlszentralen; so werden wir der Unsicherheit, was zu denken, zu wünschen, zu tun sei, aufs glücklichste enthoben. Die zu Mißverständnissen, Mythologien und Imaginationen verleitende semantisch fundierte Sprache wird überflüssig und stirbt ab; oder wird gnädig abgeschaltet und außer Dienst gesetzt.
Der Hunger nach dem Brot des Lebens und der Wahrheit wird als eine krankhafte Form religiöser Indisposition oder Magenverstimmung verdächtigt.
Die Faszination der Flamme für den Falter, von Phallus und Vagina für den Kult des Frühmenschen, des Monds für die mutterrechtlich, der Sonne für die vaterrechtlich orientierte Menschheit. Aber das Kreuz? Nichts weniger faszinierend als das Kreuz.
Konstantin ist eine Wasserscheide, verbindet er doch das Kreuz mit dem imperialen Symbol der Sonne.
Die Madonna, der Morgenstern und die auf der Mondsichel Schwebende, bildet den Einspruch, der sich manchmal wie in der Dichtung Hölderlins und Rilkes dem Widerspruch nähert.
Gewiß, nur der Glaube wider alle natürliche Vernunft, an die Transsubstantiation von Brot und Wein bedeutet, was Hölderlin das Rettende nennt, aber vergeblich als das Kommende beschwört.
Nichts Rettendes käme, wäre kein Augenblick der Zeit enthoben. – Kann man es heute, mehr als ein Säkulum nach Hölderlin und Kierkegaard, beschwören oder behaupten, ohne sich lächerlich zu machen?
Worauf die Banalität der Heine und Brecht setzte, daß allen dampfende Fleischtöpfe den Hunger nach dem Brot des Lebens und der Wahrheit stillen, führte in größere Sklaverei als die der alten Israeliten unter dem Pharao.
Das Verblassen des Charismas
Der barhaupt unter Blitzen sang,
was ihm durch alle Fasern rann,
die Erde trug ihn durch die Nacht.
Beschwörung war es, Licht vom Licht,
und leitete des Liedes Strahl
ins Dorngestrüpp am Totenmal.
Doch kaum, daß ihm des Wortes Kelch
Nachteinsamkeit hat überfüllt,
wirft er ihn in den Beifall fort.
Perücken aber, Schriftgelehrte,
entrollen das Prophetenwort
im Vorführraum, es flimmert fahl.
Es welkt dahin das goldne Laub,
von grauen Chiffren eingemauert,
die Blume im Foliantenstaub.
Und jener blaue Jenseitsklang,
der jäh das Ufer überschauert
mit eines süßen Grauens Glanz,
ließ matter Muscheln Schaum im Gras,
den eine wehmutmüde Hand
gesammelt sich im Einweckglas.
Der Kampf von Adler und Engel
Zwei Augen – ein Blick. (Empedokles)
Aufwärts und hinab – ein Weg. (Heraklit)
Die Nacht war eine trübe Molke,
aufgeschäumt im Trog der Dunkelheit,
ein Tuch aus Dunst und Schnee gestickt,
das über das Mal des Waldes wogte,
die kahlen Äste Chiffren-Risse,
von grauem Efeu eingefaßt.
Unterm Pfeifen wie von Gauklerflöten,
aus Glas, aus rostigem Metall, aus Röhrenknochen,
flockenwildes Stäuben, es klatscht, es schluchzt
die Luft von Hieben süßer Wechselwut,
vom Himmel rinnt ein schwarzes Mehl,
zersägtem und zermürbtem Onyx gleich,
Geklirr, als hackten Geister-Schnäbel,
den Dunst zertrennen weiße Zungen
in Blütentropfen eines weißen Mohns,
Gesang, als kreuzten Flammen-Schwerter.
Dann wehen Purpurflocken nieder,
Kristalle stummer Schicksalswirbel.
Und wieder girrt die Nacht,
seufzt ineinander Flaum um Flaum,
und etwas steigt, wie Irrflut steigt
im Gischt sich schlingender Gewalten.
Ist es ein Doppeladler,
in jedem Schnabel eine Schlange,
ist es ein Zwillingsengel,
Mund auf Mund ein Feuermal?
Das Licht hat mit dem Dunkel sich vermählt.
Schatten sind wir auf dem Schnee des Nichts.
Was wir als Sinnes Siegel mit uns tragen,
wird sichtbar nur, prägt er sich ein dem Wachs.
O Wachs der Seele, wie es schmilzt am Tag
und tropft zur Erde, bricht die Nacht herein.
Am Dämmersaum
Wir wandeln wie im Schlaf am Dämmersaum,
wo sich des Abschieds blaue Schatten längen,
und Blüten nicht, nicht Düfte mehr bedrängen.
Verbrämtes Licht, verblaßter Liebe Traum.
Und was wir sagen, hat schon fortgeweht
ein fremder Odem, Dunst, emporgestiegen
aus Quellen, die wie dunkler Schmerz versiegen,
wenn stumm der Mond im Riedgras steht.
Uns gibt kein Zwitschern, gibt kein Flüstern Halt,
und keine Feder, Flaum getaumelt vor die Füße,
weist uns der Wiederkehr geheime Süße.
Bevor ihr Flügel rauschte, ward die Hoffnung alt.
So betten wir uns in der Sanftmut Gras
und lauschen unsern matten Atemzügen,
die uns wie Wogen welke Blätter wiegen.
Und ferne knirscht des Himmels grünes Glas.
Blasse Sonne
Und eine Hoffnung blieb uns nicht,
nur einer blassen Sonne Licht,
das in die Nacht des Schweigens scheint.
Was nächtens hier ans Fenster pocht,
daß flackert banger Herzen Docht,
Wind ist es, der das Wort verneint.
Den Stern, der deinem Auge glich,
den Stern, von dem mein Aug nicht wich,
hat eine Wolke uns verhüllt.
Dein Lächeln, wie ein Veilchen weich,
der Stirne Blatt, gedankenreich,
ein schwarzer Sturm hat sie zerknüllt.
Dein Schlummer glitt, ein trunkner Schwan,
auf meines Atems grüner Bahn
ins stille Schilf des Morgenlichts.
Schon irrt der Strahl im Labyrinth
der Seele, und wir sterben blind,
tief über uns azurnes Nichts.
Neueste Einträge
Kategorien
- Auswahl älterer Gedichte
- Gedichte
- Gedichte in Prosa
- Gedichte und poetische Texte über Frankfurt am Main
- Gedichte und poetische Texte über Koblenz, Koblenz-Metternich, die Eifel und den Rhein
- Gedichte zur Zeit
- Komische und groteske Gedichte
- Liebesgedichte
- Lyrisch-philosophisches Spiel
- Lyrische Gedichte
- Philosophische Essays
- Philosophische Gedichte
- Philosophische Sentenzen und Aphorismen
- Poetologische Gedichte
- Prosa
- Radiofeature und TV-Dokumentation
- Religiöse Gedichte
- Sonette
- Übersetzungen und Nachdichtungen
- Wittgenstein-Sonette