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Ritzen im Asphalt

04.04.2017

Sentenzen und Aphorismen für Freunde der Butterblume

Sieben Milliarden, acht Milliarden, neun Milliarden – als würde man in den schleimigen Ausscheidungen unzähliger ineinander wimmelnder Raupen ersticken.

Es gibt die Edlen (oder immerhin solche, die es sein wollen) und die Gemeinen. Wer dies leugnet, erweist damit seine Zugehörigkeit zu letzterer Kategorie.

Die Gemeinen wollen die Edlen, die Hochgesinnten, die Großgesinnten auslöschen. Das ist der dämonische Sinn der Geschichte.

Die natürliche Einstellung des Pöbels ist der Verachtung der Größe.

Der Triebtäter verleumdet den Mönch als feige, heuchlerisch, impotent.

Der amusische Vergewaltiger sieht im hoch aufsingenden Genius einen Kastraten.

Das Abendland ist der Echoraum der altgriechischen Chöre.

Wie das Verbrechen wurzelt auch der Krieg in der menschlichen Natur.

Die Götter sind leuchtende Masken der Lebensmächte.

So auch Ares, der Menschen ergreift wie Sturmwind, wenn er die Bäume biegt.

Wenn Sturmwind peitscht, sind alle Blätter eins in demselben monotonen Rauschen.

Intellektuelle, die am Zeitgeist kleben wie der Vogel an der Leimrute – ihr Leben lang.

Sie hatte die ganze Welt bereist – und war immer noch derselben Meinung.

Erfahrung macht nicht klug, wenn sie durch das dünne Tuch eng gewebter Worte geseiht wird.

Wer von korrupten Mächten oder staatlichen Erziehungsorganen gedungen und alimentiert das Rednerpult betritt, lügt, auch, nein gerade, wenn er sich ganz authentisch gibt.

Die schreien zu müssen glauben, wenn sie etwas zu sagen haben, haben nichts zu sagen.

Unbesehene Toleranz ist eine Form der Selbstverachtung.

Wer nicht mit den Fröschen quakt, muß sich darein schicken, keinen Laichplatz zu ergattern.

Es grenzt an ein Wunder, wenn aus den Ritzen des Asphalts die Butterblume ihr goldenes Entzücken reckt.

Der Humus, aus dem die Wunderblume der Poesie sprießt, kann nicht industriell gefertigt werden.

Was mit hohem Tone angekündigt wird, riecht meist abgestanden gegenüber dem Wohlgeruch des Wahren, der aus den Falten des nebenher Gesagten, Gestammelten dringt.

Die Chorlyrik spricht alle Sinnschichten an: abgemessenes Schreiten und Tanzen, rhythmisches Künden und Singen und die fein gegliederte Verzweigung der Vorstellungen.

Nur wer schlecht zu handeln vermöchte, kann auch gut zu sein.

Die kleinen Gauner sind ehrlich in ihrer Gemeinheit; die großen Gauner und Politiker rauben und plündern im Namen der Gerechtigkeit, zerstören und töten im Namen der Menschlichkeit.

Auf dem Gipfel kann man nicht lange verweilen, man muß wieder hinab.

Ruheloses Fragen als Zeichen geistiger Verwirrung.

Geschwätz, das tödliche Virus, das die Vernunft befällt.

Der geniale Mann ist spirituell eine Frau.

Der Scharlatan ahmt ihn nach – durch Scheinschwangerschaft.

Nach Applaus buhlen, die nicht sind, was sie darstellen.

Sie sind leer, füllen sie nicht Spiegelbilder, sie sind blind, werden sie nicht angeschaut.

Das Licht, das sie vertreibt, ist nicht weniger dunkel und geheimnisvoll als die Nacht.

Schon eine verdorbene Frucht macht die Marmelade ungenießbar.

Um der Bloßstellung zu entgehen, halten sie zäh an ihrem Irrglauben und an ihrer Lebenslüge fest.

Im ersten Standlied der Antigone mischen sich Bewunderung und Schrecken vor der List und Kunstfertigkeit des Mannes, die auf Bändigung der wilden Natur aus sind, freilich oft genug um den Preis sittlicher Verrohung.

In den hohen Domen scheint das Göttliche erloschen wie die Flamme, die statt reinen Öls wässrig-laue Lymphe nährt; wir müssen wieder klein anfangen, im Unbehausten, bei den Ritzen im Asphalt, bei der Butterblume.

Wort, nicht angefressen vom Wurm.

Geste, nicht beschattet von Tod und Vergeblichkeit.

Gesicht der Liebe, unentstellt von den Blattern der Lüsternheit.

Das Schicksal der Modernen ist nicht tragisch – gehen sie doch sehenden Auges auf den Abgrund zu.

Er mimte Passion – in einer Wolke von süßlichem Aftershave.

Die Chöre des Dionysos sind nicht widerlegbar.

Kein Senkblei der Aufklärung gelangt auf den Grund des Brunnens der Inspiration.

Wo wir entsetzliche Leere empfinden, wohnt das Göttliche.

Die größte Niedertracht hüllt sich in das schöne Gewand der Menschlichkeit.

Sie leugnen die großen Tatsachen der Natur, Geschlecht, Abstammung, Erblühen und Altern, Charakter und Genie – das letzte Aufgebot bodenloser Selbstüberhöhung.

Eine schmerzliche Wahrheit über den Menschen birgt der Umstand, daß er nur in rituell, habituell und hierarchisch abgedichteten sozialen Räumen jene Zufriedenheit und jenes Lebensglück findet, die er mittels der ungebremsten Jagd durch die schmalen Gänge der homogenen Menschenmasse verfehlt.

So ist auch der strenger Zensur ausgesetzte Dichter gehalten, seine Imagination zu beflügeln und immer verstecktere, geheimnisvoller Wege zu gehen, auf denen er der Wahrheit der Seele andeutend, enigmatisch umschreibend, auf krummen Wegen divagierend bedeutend näher kommt, als wenn er sie auf dem Markt des freien Austauschs in hübsch dekorierten Stücken auf das Gefällige, Gesellige oder auch modisch Anstößige eingestampft mundgerecht feilbietet.

Wer um sein Leben schreibt, findet das Sesam öffne dich für die Tür des Wunderbaren eher als der Tagesmensch, dem sich die Worte häufen wie dem Obsthändler die Kisten mit Äpfeln und Bananen.

Die Industrialisierung des Volkstums zur Folklore durch Tourismus und Schlagermusik führte zur Entstellung oder Ausrottung der urtümlichen seelischen Realitäten, die sich in Volkslied, Volkstanz und Volksstück kundtaten.

Die alten Lieder und Weisen flüchteten als Wandersburschen und Vaganten, als Engel und Feen verkleidet in das Kunstlied der Schubert, Schumann, Brahms und Wolf; sie konnten nicht mehr in die Täler und Dörfer, an die Brunnen und Tore zurückkehren, denn diese waren zerstört oder verwaist und ihre alten und runzligen Schwestern närrisch geworden oder verstummt.

Was sie an der sexuellen Freizügigkeit feiern, ist ihre eigene Lüsternheit.

Sie sind ein Nichts, das nichts in sich vorfindet – und beten Rosenkränze großer Namen herunter.

Die Szenen des vulgären Geschmacks zittern in uns nach, wie Nachbilder greller Augenblicke.

Ihnen fehlt die wesentliche Not zur Einsicht ins Wesentliche.

Sie kauen Schatten, im Wahn, nicht Schatten zu werden.

Ruhe findet, wer das Geschrei des Marktes flieht.

Aber wo ist der Garten, in den der Lärm ihrer Maschinen nicht dringt?

Wahre Elternliebe entzöge das Kind dem Gesinnungsterror der Schule.

Die Pädagogik des Laisser-aller und des hemmungslosen Auslebens der angeblichen Persönlichkeit ist die letzte Form der Entwürdigung des Kindes.

Die Größe des Christentums erweist sein Bild vom Paradies: mitzusingen im Chor der Engel.

Was sich der freigelassene Sklave der Zivilisation von der Zukunft erhofft, sind Völlerei, Unzucht und Orgien der Gewalt.

Der Schreiber für den Jargon der Zeit sieht wie der Hurer in der Frau im Wort nur ein Gefäß, das er mit dem Geifer seines Selbstgefühls befüllt.

Das Wort ist aber wie die Blume, die freilich Wassers bedarf, doch von selber blüht.

Oder sich nicht zu blühen bequemt.

Sie wetzen das Wort, um in seinen Funken geistreich zu schimmern – dabei hat es sie längst in einer Staubwolke verdunkelt.

Wer auf das Urteil der Menge setzt, hat das Vertrauen auf sein eigenes Urteilsvermögen verloren.

Wenn der wahre Satz morgen noch besteht, muß die Idee der Entwicklung falsch sein.

Und wäre alles abgeholzt, geht er doch immer tiefer in den Wald der Seele.

Letzter Grad der Selbstüberwindung: vom Wunsche lassen, mit der seltenen Blume aus der Einsamkeit zurückzukehren, zum Beweis, man sein im Wunderwald gewesen.

Aufbrechen, um nicht zurückzukehren.

Allein zuletzt unter den Gestirnen der Nacht – im Schweigen Gottes.

Aus jener Quelle im tiefsten Dämmer des Waldes kann man nicht trinken – jedoch von fern, denn immer bleibt sie fern, ihr lauschen.

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