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Europas Stier

03.10.2013

Schreitender Stier
Skulptur von Fritz Boehle
Günthersburgpark, Frankfurt am Main

Auf dem polierten Podest
lag ein verschmierter Lappen,
als hätte die Kopftuch-Putze
für die Kunst im öffentlichen Raum
ihn ob des Anblicks
so hoher Manneskraft der Hoden
entrüstet fallen lassen.

1910. Wie sah der Park wohl aus?
Hat dieser Sturm vitaler Strahlung
dem Bürger aus der Furt der Prächte,
der Günthersburgallee,
den spitzen Hut vom Kopf geweht?

Heute siehst du keine schnieken Herren mit Hut
an dieser schöngegossnen Wucht
des freien Seins und noblen Wesens
die Augen rollen.

Der dumpfe Orient, der hier das Abendlicht verhängt
mit Schwaden gegrillter Lenden eines Widders,
der in Hinterhöfen durchs rituelle Messer
ins Knie gebrochen,
hat keinen Sinn für Boehles hohe Kunst –
für jenes Urviech, das gelassen
den leidigen Mücken
mit halbbewusstem Schlag des Schweifes wehrt.

Europas Stier,
der wie eine Opfergabe bei Homer gesegnet
das Götterrecht verleibt
auf selbsterwärmte joviale Gegenwart.

Sie ignorierenʼs oder halten bang dem Zögling
vor diesem späten Widerschein
der Flammen heidnischer Altäre
das Buch des Engels mit der schweren Zunge
vor die Augen.

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