Skip to content

De gustibus examinandis

02.04.2023

Die heikle Zunge prüft den Wein,
ob er zu Hymnen inspiriere,
ob er den edlen Geist vertiere,
sublim schmeckt ihr, was ungemein.

Die feine Nase widert Rauch
und der Plebejer Zotendünste.
Doch blühen wieder Sapphos Künste,
blaut unserm Vers ein Veilchen auch.

Der helle Spiegel macht uns blind,
taub Speien blecherner Tritonen.
Wo Schwäne still bei Blüten wohnen,
weht um uns Duft von Versen lind.

Der Schnee des Auges wurde rot,
ein Wortgelall hat Spreu geblasen.
Ophelia versank in Phrasen,
grell schrie das Fleisch, der Geist war tot.

Die Ars poetica wirft Licht
ins Schattenlaub verholzter Sinne,
sie lehrt, wie Tau und Anmut rinne,
rankt himmelan sich das Gedicht.

Der Vers entsteht nicht im Labor,
ist kein Gespenst aus Algorithmen,
er zieht hinaus auf Wellen-Rhythmen,
er kehrt zurück in fremdem Flor.

Erst wenn die Furche, die versehrt,
umschattet ist von Bitterkräutern,
erst wenn die Sinne Sonnen läutern,
keimt auf das Wort, das uns ernährt.

 

Comments are closed.

Top