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Traurige Distichen

19.02.2020

Welche Quelle könnte mit Geist sie wieder behauchen?
Unterm Asphalt erstickt ihnen die Muse des Lieds.

*

Einsam in düsterer Nische sinken dem Engel die Flügel.
Liebe entfachte sie einst, Wahn hat die Flamme gelöscht.

*

Auf dem Denkstein die liebliche Inschrift willst gern du entziffern,
doch mit schmutziger Hand hat sie der Zeitgeist zerkratzt.

*

Glocken haben der Kindheit Tage voll Ahnung durchflutet,
nun ward der liebliche Klang knirschender Sand dir im Schlaf.

*

Damals hat zwischen tauigen Reben uns Bläue gelächelt,
heute trinkst du den Wein einsam am lichtlosen Ort.

*

War die fröhliche Glut uns erweckt, wie sangen die Flammen,
was macht seufzen dich nun, Schwester, was feucht dir das Aug.

*

Sterne der Jugend, die einst uns bahnten die Pfade,
der unsern Herzen entquoll, Nebel, er hat euch verhüllt.

*

Als wir die Blüten streuten von Tulpen, Rosen und Veilchen,
war uns Kindern die Hand sanft, nicht von Mühsal verhornt.

*

Deren Atem würzten der Gärten heimliche Düfte,
streicht der Zeitgeist das Wort Heimat im Tagebuch durch.

*

Kräuter und Gräser sandten Aromen dem kindlichen Schlummer,
heut aber blaken im Traum Kerzen, und hell wird er nicht.

*

Himmlische Bläue und Regen stillten das kindliche Sehnen,
trinkst du auch heimischen Wein, stirbt doch die Sehnsucht vor Durst.

*

Augen der Borke, wild rauschende Wasser waren die Weiser,
grelle Bilder der Stadt führen ins Abseits dich stets.

*

Schweifende Tiere der Wildnis, sonnentrunkene Adler –
arme Schoßhündchen, habt trostlosen Stein zum Revier.

*

Wie denn könnte Eros zwischen Gas und Glas sich ergötzen,
lauscht er doch Schritten des Pan, seufzt unter ihnen das Gras.

*

In der Wüste finde, mein Dichter, des Liedes Oase,
lasset, ihr Musen, ihm süß quellen den Brunnen des Munds.

 

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