Skip to content

Der Dichter Tod

22.04.2017

Warum so ernst, spricht der Tod,
ich bin nur eine Maske des Lebens,
das herumtollt wie ein Kind,
wild im Kreise wirbelt und tanzt,
und schwindlig geworden
sich die Nase blutig stößt
an einem vorspringenden Ding –
da läuft es wimmernd heim
und versteckt sich im Bett

Du siehst mich nur im Grinsen
des lächerlich hohlen Schädels,
im Prangen der Knospe nicht,
die der eigener Fülle müde
sich an die Schwester schmiegt,
nicht im sapphischen Lied
und Veilchentanz der Mädchen,
hörst mich nicht im süßen Wehlaut
des nächtlichen Vogels,
nicht im bacchantischen Schluchzen,
wenn im Sande lechzen die Wellen.

Warum so ernst, mein Freund,
ohne mich wärest du nichts,
denn ich ließ von allen übrig,
die ihren Samen gaben reihum,
bis der letzte endlich im Schoß
deiner Mutter aufging mit dir.

Ich werfe so dunkle Schatten,
sagst du. Sei dankbar dem Schatten,
der dir im grellen Tage des Lebens
die stille Mulde bettet mit Moos,
der Betrachtung dich hinzugeben
oder beschwipst vom Tau des Monds,
die dem Wind der Halme entsteigt
der Sylphe blauen Getöns zu lauschen
und Ariels neckenden Trillern.

Der Liebe schimmerndes Auge,
in dem die Nacht der Träne glüht,
verschlösse ich vor der Zeit,
klagst du. So bleib am Zaun
der Wimpern nicht stehen,
laß dich fallen in die helle Nacht.

Dank der feinen Nervenstiche,
die ich in ihr Fleisch gedrückt,
wächst in der Muschel der Zeit
die sie herrlich übersteigt,
die edel glänzende Perle,
Schönheit, die deine Liebe übersteht
und auf dem roten Samt dämmert,
den einst sie dir schenkte,
doch ihr lieber Name,
vor dem dein Herz gekniet,
flog mit den Kranichen südwärts
unter den rosigen Bäuchen der Wolken.

Schau noch die Bilder der Galerie,
sie sind mein Werk, die Gesichter
der Väter und Mütter, mit ihrem Leben,
ihren Seelen, ihrem Geist woben sie
die Wiege, auf der du zum ersten Male
träumtest, ihre Tritte ebneten den Weg,
der dich zum Wasser führt, zum Garten,
den sie gepflanzt. So lerne in ihre Ferne
wie aus dem Fenster das Gestirn
mit Dank in ihre Abwesenheit blicken.

Komm, ich führe dich über den Gipfel,
dort ist die Wasserscheide,
dort ist das Urstromtal, in dem es anders
blüht, anders die Seelen wie mit Körpern
zarter Vögel Schattengrüße
über die lauschende Erde schreiben,
sie sprechen nicht Trübsal und Luft,
ihre Hände und Augen und Herzen
sind durchsichtige Schleier des Sinns –
hier muß ich an der Grenze kehren,
du aber, wenn sie dich erkennen,
gehst in ein Dasein unendlichen Übergangs
sanfter Klänge des Wassers,
saumseligen Atmens der Lust –
die Jahreszeiten der Seele.
Hörst du Gesang? So schwingen
die Dolden der Jenseits-Blumen.

Comments are closed.

Top