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Rabindranath Tagore, The Crescent Moon, Der Sichelmond XIII–XV

15.10.2018

XIII The Astronomer

I only said, ‘When in the evening the round full moon gets entangled among the branches of that Kadam tree, couldn’t somebody catch it?’
But dada laughed at me and said, ‘Baby, you are the silliest child I have ever known. The moon is ever so far from us, how could anybody catch it?’
I said, ‘Dada, how foolish you are! When mother looks out of her window and smiles down at us playing, would you call her far away?’
Still dada said, ‘You are a stupid child! But, baby, where could you find a net big enough to catch the moon with?’
I said, ‘Surely you could catch it with your hands.’
But dada laughed and said, ‘You are the silliest child I have known.
If it came nearer, you would see how big the moon is.’
I said, ‘Dada, what nonsense they teach at your school! When mother bends her face down to kiss us does her face look very big?’
But still dada says, ‘You are a stupid child.’

 

XIII Der Astronom

Ich sagte nur: „Wenn sich am Abend der runde Vollmond in den Zweigen des Kadam-Baumes verfängt, könnte ihn nicht jemand fangen?“
Doch mein Bruder lachte mich aus und sagte: „Du bist das dümmste Kind, das ich je gekannt habe. Der Mond ist ganz weit von uns entfernt, wie könnte ihn jemand fangen?“
Ich sagte: „Brüderchen, wie dumm du bist! Wenn Mutter aus dem Fenster schaut und uns zulächelt, wie wir spielen, würdest du sie weit entfernt nennen?“
Doch mein Bruder sagte: „Du bist ein dummes Kind! Wo könntest du wohl, Kleiner, ein Netz finden, groß genug, den Mond damit zu fangen?“
Ich sagte: „Bestimmt könntest du ihn mit den Händen fangen.“
Mein Bruder aber lachte und sagte: „Du bist das dümmste Kind, das ich je gekannt habe.
Wenn er näher käme, würdest du sehen, wie groß der Mond ist.“
Ich sagte: „Brüderchen, was für einen Unsinn sie euch in der Schule beibringen! Wenn Mutter sich zu uns herabbeugt, um uns zu küssen, sieht ihr Gesicht dann sehr groß aus?“
Doch wieder sagte mein Bruder: „Du bist ein dummes Kind.“

 

XIV Clouds and Waves

Mother, the folk who live up in the clouds call out to me –
‘We play from the time we wake till the day ends.
We play with the golden dawn, we play with the silver moon.’
I ask, ‘But, how am I to get up to you?’
They answer, ‘Come to the edge of the earth, lift up your hands to the sky, and you will be taken up into the clouds.’
‘My mother is waiting for me at home,’ I say. ‘How can I leave her and come?’
Then they smile and float away.
But I know a nicer game than that, mother.
I shall be the cloud and you the moon.
I shall cover you with both my hands, and our house-top will be the blue sky.
The folk who live in the waves call out to me –
‘We sing from morning till night; on and on we travel and know not where we pass.’
I ask, ‘But how am I to join you?’
They tell me, ‘Come to the edge of the shore and stand with your eyes tight shut, and you will be carried out upon the waves.’
I say, ‘My mother always wants me at home in the evening – how can I leave her and go?’
Then they smile, dance and pass by.
But I know a better game than that.
I will be the waves and you will be a strange shore.
I shall roll on and on and on, and break upon your lap with laughter
and no one in the world will know where we both are.

 

XIV Wolken und Wogen

Mutter, das Volk, das hoch oben in den Wolken lebt, ruft mir zu:
„Wir spielen von frühauf, wenn wir erwachen, bis zum Ende des Tages.
Wir spielen mit der goldenen Morgensonne, wir spielen mit dem Silbermond.“
Ich frage: „Doch wie kann ich zu euch kommen?“
Sie antworten: „Geh bis zum Ende der Welt, heb deine Hände zum Himmel auf und du wirst hinauf zu den Wolken gehoben.“
„Meine Mutter wartet zu Hause auf mich“, sage ich, „wie kann ich sie verlassen und kommen?“
Darauf lächeln sie und ziehen weiter.
Aber ich kenne ich schöneres Spiel als dieses, Mutter.
Ich werde die Wolke sein und du der Mond.
Ich werde dich mit beiden Händen umfassen, und unser Hausdach wird der blaue Himmel sein.
Das Volk, das in den Wogen lebt, ruft mir zu:
„Wir singen vom Morgen bis zum Abend; wir wandern weiter und weiter und wissen nicht, wohin wir eilen.“
Ich frage: „Doch wie kann ich einer von euch werden?“
Sie sagen mir: „Komm ans Ende der Küste und bleib stehen, die Augen fest geschlossen, und du wirst hinaus auf die Wogen getragen.“
Ich sage: „Meine Mutter wartet abends immer zu Hause auf mich – wie kann ich sie verlassen und fortgehen?“
Darauf lächeln sie, tanzen und ziehen weiter.
Aber ich kenne ein schöneres Spiel als dieses.
Ich werde die Wogen sein und du die fremde Küste.
Ich werde auf und nieder wogen und lachend auf deinen Schoß branden
und keiner auf der Welt wird wissen, wo wir beide sind.

 

XV The Champa Flower

Supposing I became a champa flower, just for fun, and grew on a branch high up that tree, and shook in the wind with laughter and danced upon the newly budded leaves, would you know me, mother?
You would call, ‘Baby, where are you?’ and I should laugh to myself and keep quite quiet.
I should slyly open my petals and watch you at your work.
When after your bath, with wet hair spread on your shoulders, you walked through the shadow of the champa tree to the little court where you say your prayers, you would notice the scent of the flower, but not know that it came from me.
When after the midday meal you sat at the window reading Ramayana, and the tree’s shadow fell over your hair and your lap, I should fling my wee little shadow on to the page of your book, just where you were reading.
But would you guess that it was the tiny shadow of your little child?
When in the evening you went to the cowshed with the lighted lamp in your hand, I should suddenly drop on to the earth again and be your own baby once more, and beg you to tell me a story.
‘Where have you been, you naughty child? ‘
‘I won’t tell you, mother. ‘ That’s what you and I would say then.

 

XV Die Champa-Blüte

Stell dir vor, nur so zum Spaß, ich sei in eine Champa-Blüte verwandelt worden und wüchse hoch auf dem Zweig dieses Baumes, ich zitterte lachend im Wind und tanzte unter den frisch gekeimten Blättern, würdest du mich erkennen, Mutter?
Du würdest rufen: „Mein Kleines, wo steckst du?“, und ich würde in mich hineinlachen und ganz still bleiben.
Ich würde listig meine Blütenblätter öffnen und dir bei der Arbeit zusehen.
Wenn du nach dem Bad, die nassen Haare auf den Schultern gebreitet, durch den Schatten des Champa-Baums in den kleinen Hof gingest, wo du deine Gebete aufsagst, würdest du den Duft der Blume gewahren, doch nicht erkennen, daß er von mir kommt.
Wenn du nach dem Mittagessen am Fenster säßest, um im Ramayana zu lesen, und der Schatten des Baumes fiele auf dein Haar und deinen Schoß, würde ich meinen winzig kleinen Schatten auf die Seite deines Buchs werfen, gerade auf den Abschnitt, den du liest.
Doch würdest du darauf kommen, daß es der winzige Schatten deines kleinen Kindes ist?
Wenn du am Abend in den Kuhstall gingest, die angezündete Leuchte in der Hand, würde ich plötzlich wieder auf die Erde fallen und wäre einfach wieder nur dein Kind und bäte dich, mir eine Geschichte zu erzählen.
„Wo bist du gewesen, du unartiges Kind?“
„Das erzähle ich dir nicht, Mutter.“ Das würden wir einander dann sagen, du und ich.

 

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