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Rabindranath Tagore, The Crescent Moon, Der Sichelmond XVI–XVIII

16.10.2018

XVI Fairyland

If people came to know where my king’s palace is, it would vanish into the air.
The walls are of white silver and the roof of shining gold.
The queen lives in a palace with seven courtyards, and she wears a jewel that cost all the wealth of seven kingdoms.
But let me tell you, mother, in a whisper, where my king’s palace is.
It is at the corner of our terrace where the pot of the tulsi plant stands.
The princess lies sleeping on the far-away shore of the seven impassable seas.
There is none in the world who can find her but myself.
She has bracelets on her arms and pearl drops in her ears; her hair sweeps down upon the floor.
She will wake when I touch her with my magic wand, and jewels will fall from her lips when she smiles.
But let me whisper in your ear, mother; she is there in the corner of our terrace where the pot of the tulsi plant stands.
When it is time for you to go to the river for your bath, step up to that terrace on the roof.
I sit in the corner where the shadows of the walls meet together.
Only puss is allowed to come with me, for she knows where the barber in the story lives.
But let me whisper, mother, in your ear where the barber in the story lives.
It is at the corner of the terrace where the pot of the tulsi plant stands.

 

XVI Feenland

Erführen die Leute, wo mein königlicher Palast liegt, würde er sich in Luft auflösen.
Die Mauern sind aus weißem Silber und das Dach aus leuchtendem Gold.
Die Königin lebt in einem Palast mit sieben Höfen und sie trägt ein Juwel, soviel wert wie sieben Königreiche.
Doch laß dir, Mutter, von mir flüsternd sagen, wo mein königlicher Palast liegt.
Er liegt im Winkel unserer Terrasse, wo der Topf mit der Tulsi-Pflanze steht.
Die Prinzessin ruht schlafend auf dem fernen Strand der sieben unpassierbaren Meere.
Es gibt niemanden auf der Welt, der sie finden könnte, außer mir.
Sie trägt Ringe an den Armen und Perlentropfen an den Ohren; ihr Haar wallt auf den Boden herab.
Sie erwacht, wenn ich sie mit meinem Zauberstab berühre, und Rubinen fallen ihr von den Lippen, wenn sie lächelt.
Doch laß mich, Mutter, dir ins Ohr flüstern; sie ist dort in der Ecke unserer Terrasse, wo der Topf mit der Tulsi-Pflanze steht.
Wenn es Zeit für dich ist, zum Fluß zu gehen, um ein Bad zu nehmen, steige auf die Dachterrasse.
Ich sitze in der Ecke, wo sich die Schatten der Mauern berühren.
Nur die Miezekatze darf mit mir kommen, denn sie weiß, wo der Barbier aus dem Märchen lebt.
Doch laß mich, Mutter, dir ins Ohr flüstern, wo der Barbier aus dem Märchen lebt.
Dort in der Ecke unserer Terrasse, wo der Topf mit der Tulsi-Pflanze steht.

 

XVII The Land of the Exile

Mother, thelight has grown grey in the sky; I do not know what the time is.
There is no fun in my play, so I have come to you. It is Saturday, our holiday.
Leave off your work, mother; sit here by the window and tell me where the desert of Tepantar in the fairy tale is?
The shadow of the rains has covered the day from end to end.
The fierce lightning is scratching the sky with its nails.
When the clouds rumble and it thunders, I love to be afraid in my heart and cling to you.
When the heavy rain patters for hours on the bamboo leaves, and our windows shake and rattle at the gusts of wind, I like to sit alone in the room, mother, with you, and hear you talk about the desert of Tepantar in the fairy tale.
Where is it, mother, on the shore of what sea, at the foot of what hills, in the kingdom of what king?
There are no hedges there to mark the fields, no footpath across it by which the villagers reach their village in the evening, or the woman who gathers dry sticks in the forest can bring her load to the market. With patches of yellow grass in the sand and only one tree where the pair of wise old birds have their nest, lies the desert of Tepantar.
I can imagine how, on just such a cloudy day, the young son of the king is riding alone on a grey horse through the desert, in search of the princess who lies imprisoned in the giant’s palace across that unknown water.
When the haze of the rain comes down in the distant sky, and lightning starts up like a sudden fit of pain, does he remember his unhappy mother, abandoned by the king, sweeping the cow-stall and wiping her eyes, while he rides through the desert of Tepantar in the fairy tale?
See, mother, it is almost dark before the day is over, and there are no travellers yonder on the village road.
The shepherd boy has gone home early from the pasture, and men have left their fields to sit on mats under the eaves of their huts, watching the scowling clouds.
Mother, I have left all my books on the shelf – do not ask me to do my lessons now.
When I grow up and am big like my father, I shall learn all that must be learnt.
But just for to-day, tell me, mother, where the desert of Tepantar in the fairy tale is?

 

XVII Das Land des Exils

Mutter, das Licht ist grau geworden am Himmel; ich weiß nicht, was heute für ein Tag ist.
Ich hatte kein Vergnügen an meinem Spiel, so bin ich zu dir gekommen. Es ist Samstag, unser freier Tag.
Laß deine Arbeit liegen, Mutter; setz dich her ans Fenster und erzähle mir, wo die Tepentar-Wüste aus dem Märchen liegt.
Der Schatten der Regenschauer hat den Tag von einem Ende bis zum anderen verhüllt.
Die scharfen Blitze zerkratzen den Himmel mit ihren Nägeln.
Wenn die Wolken kollern und es donnert, bin ich gern erschrocken und klammere mich an dich.
Wenn der heftige Regen stundenlang auf die Bambusblätter klatscht und die Fenster schlagen und klappern unter den Windstößen, sitze ich gern allein mit dir im Zimmer, Mutter, und höre dir zu, wie du von der Tepantar-Wüste aus dem Märchen erzählst.
Wo liegt sie, Mutter, an welcher Meeresküste, am Fuße welchen Bergs, im Königreiche welchen Königs?
Es gibt dort keine Hecken, um die Felder zu begrenzen, keinen Fußweg, auf dem die Bewohner am Abend zu ihren Dörfern gelangen oder auf dem die Frau, die Brennholz im Wald sammelt, ihre Last zum Markt tragen kann. Flecken von gelbem Gras im Sand und nur ein einziger Baum, in dem das Paar der weisen alten Vögel sein Nest hat – so liegt die Tepantar-Wüste da.
Ich sehe es vor mir, wie der junge Königssohn an solch einem regnerischen Tag auf einem grauen Pferd durch die Wüste reitet, er sucht die Prinzessin, die in Fesseln im Palast des Riesen jenseits des unbekannten Wassers liegt.
Wenn sich der Schleier des Regens auf den fernen Himmel senkt und es wie in einem jähen Ausbruch von Schmerz zu blitzen beginnt, erinnert er sich an seine unglückliche Mutter, die der König im Stich gelassen hat, als sie den Kuhstall fegte und ihre Augen trocknete, während er durch die Tepantar-Wüste aus dem Märchen reitet?
Sieh, Mutter, es ist schon dunkel, bevor der Tag vorüberging, und da drüben sind keine Leute unterwegs auf dem Weg zum Dorf.
Der Schäferjunge ist früh von der Weide nach Hause gegangen, und die Bauern haben ihre Äcker verlassen, um auf Matten unter den Dachtraufen ihrer Hütten zu sitzen und die finster blickenden Wolken zu betrachten.
Mutter, ich habe all meine Bücher auf dem Regal gelassen – verlange jetzt nicht von mir, meine Hausaufgaben zu machen.
Wenn ich erwachsen bin und groß wie mein Vater, werde ich all das lernen, was nötig ist.
Doch heute erzähle mir nur, Mutter, wo die Tepantar-Wüste aus dem Märchen liegt.

 

XVIII The Rainy Day

Sullen Clouds are gathering fast over the black fringe of the forest.
O child, do not go out!
The palm trees in a row by the lake are smiting their heads against the dismal sky; the crows with their draggled wings are silent on the tamarind branches, and the eastern bank of the river is haunted by a deepening gloom.
Our cow is lowing loud, tied at the fence.
O child, wait here till I bring her into the stall.
Men have crowded into the flooded field to catch the fishes as they escape from the overflowing ponds; the rainwater is running in rills through the narrow lanes like a laughing boy who has run away from his mother to tease her.
Listen, someone is shouting for the boatman at the ford.
O child, the daylight is dim, and the crossing at the ferry is closed.
The sky seems to ride fast upon the madly-rushing rain; the water in the river is loud and impatient; women have hastened home early from the Ganges with their filled pitchers.
The evening lamps must be made ready.
O child, do not go out!
The road to the market is desolate, the lane to the river is slippery.
The wind is roaring and struggling among the bamboo branches like a wild beast tangled in a net.

 

XVIII Der Regentag

Düstere Wolken ziehen sich rasch über dem Saum des Waldes zusammen.
O Kind, geh nicht nach draußen!
Die Palmbäume in der Reihe vor dem See schlagen ihre Häupter an den trostlosen Himmel; die Krähen mit ihren schmutzigen Flügeln sitzen still auf den Zweigen des Tamarindenbaums, und um das östliche Ufer des Flusses geistert eine dichter werdende Düsternis.
Unsere Kuh, angebunden am Zaun, muht laut.
O Kind, warte hier, bis ich sie in den Stall geführt habe.
Leute drängen sich auf den überfluteten Feldern, um die Fische zu fangen, die aus den überströmenden Teichen entwischen; das Regenwasser ergießt sich in Rinnsalen über die engen Gassen wie ein lachender Junge, der von seiner Mutter fortlief, um sie zu ärgern.
Horch, da ruft jemand nach dem Fährmann bei der Furt.
O Kind, das Tageslicht ist trübe, und die Überfahrt mit der Fähre ist eingestellt.
Der Himmel scheint schnell über den tollwütig stürzenden Regen zu reiten; das Wasser im Fluß ist laut und ungeduldig; Frauen eilen mit ihren gefüllten Krügen früh vom Ganges nach Hause.
Die Abendlampen müssen zugerichtet werden.
O Kind, geh nicht nach draußen!
Die Straße zum Markt ist verwaist, der Pfad an den Fluß ist schlüpfrig.
Der Wind heult und quält sich durch die Bambuszweige wie ein wildes Tier, das sich in einem Netz verfangen hat.

 

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